Der Stolz des Vaters

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26. Dezember 2024 –Rui Biagini*, Mitglied der Schulpflege, erlebte einen bezaubernden Moment, als der Pöstler einen Brief für seinen Sohn brachte. Dazu ein fotografisch festgehaltener Moment des Glücks von unserem Kollegen Reto Schlatter**. (1 Kommentar)

26. Dezember 2024 –Rui Biagini*, Mitglied der Schulpflege, erlebte einen bezaubernden Moment, als der Pöstler einen Brief für seinen Sohn brachte.

Mein ältester Sohn hatte Anfang März dieses Jahres die Aufnahmeprüfung fürs Langzeit-Gymnasium. Ich habe auch Vorbehalte gegen einen Schultyp, mit dem die soziale Segregation verstärkt wird. Andererseits eröffnet eine Matura den jungen Menschen am meisten Chancen. Also beschlossen meine Frau und ich, unseren Sohn zur Prüfung anzumelden. Er selber wollte ins Gymnasium, aber er wollte nicht unbedingt lernen.

So war es vor allem an mir, ihn davon zu überzeugen, dass es ohne Vorbereitung nicht klappen würde. Mit dem Ende der Sommerferien 2023 legten wir los und vertieften uns in die Fächer Mathematik und Deutsch. Zunächst einmal aber brauchte es gutes Zureden, dazu das erneute Ausbreiten der Vorteile eines Übertritts ins Gymi plus das Aufzählen all jener Kollegen, die auch nach Zürich wechseln wollten. Kurz: man musste ihn motivieren.

Nur schon das erforderte viel Geduld und beanspruchte letztlich die ganze Familie: uns als Eltern, aber auch seine beiden jüngeren Brüder, die zeitweise etwas in den Hintergrund gerieten. Wir merkten bald einmal, dass vom zeitlichen Aufwand her ein Full time-Job nötig war, um allen Anforderungen zu genügen.

Der fachliche Teil wie das Lösen von Mathematikaufgaben oder Besprechen von Grammatikübungen war ja bei weitem nicht alles; zunächst ging es darum, unseren Ältesten überhaupt dazu zu bringen, mit dem Lernen zu beginnen. Es kam einer echten Prüfung für mich als Vater gleich, ihm seine durchschnittlich zwei Stunden pro Tag zu gewähren, in denen er Comics lesen, sich sonst irgendwie beschäftigen oder träumen konnte. Aber es ging einfach nicht anders, und ich war unglaublich froh, wenn er sich dann doch endlich zu mir an den Schreibtisch bequemte.

Ab den Herbstferien 2023 lief es dann besser; er war irgendwie reingekommen und machte gut mit. Ich hatte alle offiziellen Prüfungsaufgaben seit 2007 aufgetrieben, und wir übten damit. Er schrieb auch Aufsätze, die wir dem Lernforum einschickten, das sie für 84 Franken pro Text professionell beurteilte. Im Grunde arbeiteten wir jeden Tag mindestens zwei Stunden intensiv zusammen.

Ein richtiges Hoch erlebten wir in den Sportferien im Februar dieses Jahres, die wir beide bei meinem Vater im Wallis mit Skifahren, aber auch mit Prüfungsvorbereitungen verbrachten. Dieser Tapetenwechsel tat uns gut, und er kniete sich richtig rein. Er hatte Freude an seinen Fortschritten, und als wir ihm kurz vor Prüfungstermin anboten, noch eine Probeprüfung abzulegen, die für 120 Franken begutachtet wird, war er sofort dabei.

Anfang März galt es dann ernst. Plötzlich befiel mich ein mulmiges Gefühl. Was, wenn er durchfallen würde? Dann war ich schuld. Keine Frage. Ich konnte die Verantwortung ja nicht auf einen der Gymivorbereitungskurse abschieben. Diese Erkenntnis stresste mich. Wir mussten zwei Wochen auf das Resultat warten. Als der Brief endlich eintraf, sah ich ihn als Erster, beherrschte aber meine Neugier. Unser Sohn schnappte sich das Kuvert und verdrückte sich in sein Zimmer. Ich konnte es mir nicht verkneifen, ihn durch den Türspalt zu beobachten. Sein Jubel über den positiven Bescheid hat mich zutiefst berührt. Es war wunderschön, seine grosse Freude zu spüren.

Seit dem Ende der Sommerferien besucht er nun das Gymnasium. Er macht das richtig gut und hat deutlich an Selbstsicherheit gewonnen. Ich muss zugeben, dass ich stolz darauf bin, wie er seinen Weg geht.» (Aufgezeichnet von Barbara Lukesch)

* Rui Biagini, 50, hat Politikwissenschaft und Philosophie studiert. Er arbeitet in einem Teilzeitpensum für die Parlamentsdienste des Kantons Zürich. Dazu ist er Mitglied der GLP Zollikon und seit 2022 der Schulpflege.

5. Juni 2024: fotografisch festgehaltener Moment des Glücks von Reto Schlatter
5. Juni 2024: fotografisch festgehaltener Moment des Glücks von Reto Schlatter

«Es ist seit Jahren mein monatliches Glück, die von Michi und Dina einfallsreich, witzig, schön und schlicht genial gestalteten Schaufenster des Getränkelieferanten Inter Comestibles mit der Kamera entdecken zu dürfen.»

** Reto Schlatter hat uns für diese Serie acht Schwarz-Weiss-Bilder zur Verfügung gestellt, die er mit «Glück» in Verbindung bringt. Als Fotograf bewegt er sich seit über 30 Jahren zwischen journalistischen, kommerziellen und freien Arbeiten. Der Antrieb liege «im Reiz der Begegnungen mit Leuten aus verschiedenen Lebenswelten und dem Spiel mit Licht und den kompositorischen Möglichkeiten der Fotografie». Eine Auswahl seiner Bilder finden Sie auf seiner Website.

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Gratuliere – vor allem Iuri, aber auch ein bisschen Dir 😉
Beste Grüsse von einem «Leidensgenossen», Oli

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