Wo der Kanton Luzern am flachsten ist

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Adrian Michael: «Nach der langen Wanderung in stotziger Schneelandschaft vom bündnerischen Vrin nach Luven stand mir der Sinn nach etwas Gegensätzlichem: Wo der Kanton Luzern am weitesten und flachsten ist, dort wollte ich hin.»

VON ADRIAN MICHAEL

So stieg ich also eines Morgens in Wauwil aus der S-Bahn ­ – und schon ich stand ich vor der ersten Sehenswürdigkeit. Bei Ausgrabungen im Wauwilermoos entdeckte man nämlich zahlreiche steinzeitliche Fundstellen; die ältesten Funde stammen aus der Altsteinzeit um 14’000 v. Chr.. Die drei nachgebauten Pfahlbauhäuser gleich neben dem Bahnhof sind der Start- und Endpunkt eines Lernpfades, der zu den Fundstellen führt.

Pfahlbauhäuser beim Bahnhof
Pfahlbauhäuser beim Bahnhof (Fotos: Adrian Michael)

Dann führt der Wanderweg schnurgerade hinein ins Moor in den frischen Morgen, daneben plätschert friedlich ein Bächlein – also nichts von «schaurig ist’s übers Moor zu gehn». Links im Hintergrund sind hinter einem Dunstschleier mächtig die Alpen erkennbar.

Rechts vorne meine ich auf einer grossen Wiese zahlreiche Strohhaufen zu erkennen. Beim Weitergehen erkenne ich allerdings bald, dass die Haufen äusserst lebendig sind: Eine grosse Schafherde hat sich hier niedergelassen. Die Hirtin steht etwas abseits und ist, gestützt auf einen Stab, mit ihrem Handy beschäftigt. Ihr Hund beobachtet die Herde aufmerksam.

Friedliche grasende Schafe
Friedlich grasende Schafe

Ein paar Meter weiter späht ein Fotograf aufmerksam durch sein Teleobjektiv auf eine Tanne. Auf meine Frage, was es da Interessantes zu sehen gebe, zeigt er mir zwei Waldohreulen, die sich im Baum versteckt halten. Das sei ihre Schlafgemeinschaft, erklärt er; ein untrüglicher Beweis dafür sind zahlreiche weisse Kotspuren am Boden. Über die vielen archäologischen Grabungen informieren immer wieder Texte und Fotos.

Kurz vor der Justizvollzugsanstalt Wauwilermoos führt mich der Wanderweg nach links zum Gehöft Moos. Der Gefängnisbau allerdings verbirgt diskret sich hinter Nebengebäuden und Bäumen. Die Anstaltsleitung sagt, ihr Leistungsausweis widerspiegle sich «in wenig Fluchten und geregelten Austrittsverhältnissen für die eingewiesenen Personen». Ich frage mich, was denn ein ungeregeltes Austrittsverhältnis wäre? Vielleicht eine Flucht mit Hilfe der altbewährten Leintücher oder durch einen Tunnel?

Zahlreich sind hier die Flurnamen im Zusammenhang mit Moos: Da gibt es neben dem Wauwilermoos eine Moosmatt, das Untermoos und einen Mooshof. In einem Gehege stehen zwei Lamas, eines kommt neugierig näher. Ich hüte mich, es zu nahe kommen zu lassen!

Ein Lama, grad nicht spuckend
Ein Lama, grad nicht spuckend

Wenig später überquere ich das Flüsschen Wigger und steige im Süden des Dorfes Schötz auf den Hügel, das Hübeli, wo moderne Terrassenbauten nicht gut zum sonst eher beschaulichen Dorfbild passen wollen.

Dann wende ich mich nach Süden, dem Dachsenberg zu. Auf dem sanften Moränenhügel habe ich links einen weiten Blick zurück nach Wauwil, rechts sind die Hügel des Luzerner Hinterlandes noch schneebedeckt. Da hier offenbar kurz zuvor der Güllewagen seine Last losgeworden ist, riecht es recht würzig nach Landwirtschaft. Die Sonne beginnt zu wärmen, ich kann meine Jacke im Rucksack verstauen. Der Dachsenberg entpuppt sich als ein abgelegenes Gehöft, wo es nach Kaminfeuer riecht.

Blick über den Mösliweiher zum Dachsenberg
Blick über den Mösliweiher zum Dachsenberg

Nun ist es still, ganz still, kein menschengemachtes Geräusch ist zu hören. Nur ein paar Raben krächzen, irgendwo schimpft eine Elster, und aus einem Gehölz zwitschert fröhlich ein Vögelein. Was für eine grossartige, friedliche Stimmung! Einmal begegnet mir eine Frau mit ihrem Hund, sonst ist niemand unterwegs.

Jetzt ist durch die Bäume auf einem Hügel der Turm der Ruine Kastelen erkennbar.  Der Weg führt mich nun erstmals für ein kurzes Stück durch den Wald, geradewegs der Sonne entgegen. Weiter geht es, nunmehr dem Waldrand entlang. Links steht dunkel der Burghügel.

Der Sonne entgegen
Der Sonne entgegen

Beim nächsten Gehöft führt ein Wanderweg durch den Castelwald zum Burghügel hoch, unschwer ist das Wort Kastell herauszulesen. Dass die Bäume noch nicht belaubt sind, hat den Vorteil, dass man den imposanten Turm durch die Bäume auch aus einiger Entfernung gut sehen kann.  Die Feuerstellen rund um die Burg sind gut besucht, es wird fleissig gebrätelt. Interessiert schaue ich zwei Knirpsen zu, die geschickt auf einer abschüssigen Sandsteinwand herumklettern. Unbesorgt und vertrauensvoll sitzen ihre Eltern am Picknickplatz: Es wird schon nichts passieren!

Der Turm der einstigen Anlage Kastelen
Der Turm der einstigen Anlage Kastelen

Von der einstigen Burganlage hat sich nur der markante Turm erhalten. Die Burg wurde im 13. Jahrhundert von den Grafen von Kyburg erbaut, später zerfiel sie. Ab 1996 wurde die Ruine restauriert. Immer noch gut zu erkennen ist der tiefe Graben, mit dem die Anlage von der Umgebung abgetrennt war. Die Tür zum Turm ist offen, über ein Treppenhaus aus Metall steigt man zur obersten Plattform auf. Beeindruckend der Blick in alle vier Himmelsrichtungen!

Blick nach Nordosten
Blick nach Nordosten
Historischer Laubengang
Historischer Laubengang

Durch eine beeindruckende Allee aus zahlreichen Hagebuchen gelange ich zum Schloss Kastelen, «der historische Laubengang lädt zum Träumen ein», schwärmt eine Informationstafel. Das frühbarocke Landschloss, gebaut 1682 vom damaligen Landvogt von Willisau Heinrich von Sonnenberg, ist heute in Privatbesitz und kann nicht besucht werden.

Landschloss Kastelen
Landschloss Kastelen

Unterhalb des Burghügels liegt das Dorf Alberswil, leider ohne Restaurant. Ich ziehe also weiter ins Nachbardorf Ettiswil. Dort, in der Pizzeria Rössli, entscheide ich mich für das Menü 2. Es besteht aus einer hausgemachten feinen Spargelcrèmesuppe, einem Salat, einer Pizza nach Wahl und einer Kugel Schoggiglacé zum Dessert. Die Preise zeigen, dass wir auf dem Land sind: Alles zusammen kostet gerade mal 19 Franken.

Das «Rössli» in Alberswil
Das «Rössli» in Ettiswil

Nach dieser Stärkung geht es weiter, mein nächstes Ziel ist das Wasserschloss Wyher. Dafür nehme ich die paar hundert Meter der Strasse entlang gerne in Kauf. Sorgfältig herausgepützelt steht es eindrucksvoll in seinem Wassergraben. Erbaut aus der Zeit um 1300, ist es heute im Besitz einer Stiftung und dient als Event- und Kulturzentrum sowie für Erlebnisgastronomie – was man immer auch darunter verstehen mag.

Wasserschloss Wyher
Wasserschloss Wyher
Auf dem Buchwaldhügel
Auf dem Buchwaldhügel

Jetzt naht die letzte Etappe. Sie führt über den Buchwaldhügel, der, dicht bewaldet mit Buchen, seinem Namen alle Ehre macht. Interessant sind hier die verschiedenartigen Hütten und Spielgeräte, allesamt aus zahlreichen Ästen zusammengebaut. Vom Waldrand aus geniesst man eine prächtige Aussicht auf die schneebedeckten Alpen. Links aussen thront mächtig der Pilatus, in der Bildmitte steht das Mittagsgüpfi, weiss meine App. Nun ist auch das Dorf Grosswangen in Sicht, das Ziel meiner Wanderung.

Prchtvolles Panorama
Prchtvolles Panorama

Der Weg führt gemütlich dem pappelgesäumten Flüsschen Rot entlang. In Grosswangen fährt dann auch schon bald das Postauto, das mich in 50 Minuten nach Luzern bringt.  Diese Fahrt durch eine mir bisher praktisch unbekannte Region der Schweiz, rechts immer begleitet von der imposanten Pyramide der Alpengipfel, bildet einen feinen Abschluss.

Die Zielkurve
Die Zielkurve

Eine grossartige Rundreise war das, immer wieder gab es aus Vergangenheit und Gegenwart etwas Neues zu entdecken. Am meisten genossen habe ich an diesem Vorfrühlingstag die stillen Momente auf den menschenleeren Wanderwegen durch Feld und Flur ­– und war sehr dankbar dafür.

Anforderungen: 14,7 km, 265 Meter aufwärts, 233 Meter abwärts. 4 Stunden

Route: PDF von SchweizMobil

Adrian Michael

Adrian Michael hat 37 Jahre lang an der Zolliker Primarschule unterrichtet. Seit 2017 ist er pensioniert. Nebst der Zolliker Lokalgeschichte gehört auch das Wandern zu seinen Steckenpferden.

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