Wohin die Zolliker Reise gehen sollte

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12. November 2025 – Vor gut einem Jahr hat sich der Gemeinderat mit viel Elan dem Thema Alterswohnen angenommen. Inzwischen hat er das Projekt auf die lange Bank geschoben. Der bekannte Altersforscher François Höpflinger gibt Hinweise, wie es weitergehen könnte. (1 Kommentar)

12. November 2025 – Vor gut einem Jahr hat sich der Gemeinderat mit viel Elan dem Thema Alterswohnen angenommen. Inzwischen hat er das Projekt auf die lange Bank geschoben. Der bekannte Altersforscher François Höpflinger gibt Hinweise, wie es weitergehen könnte.

Lange Bank: der Gemeinderat «prüft» die Einsetzung einer Arbeitsgruppe (Foto: Canva)
Lange Bank: der Gemeinderat «prüft» die Einsetzung einer Arbeitsgruppe (Foto: Canva)

VON BARBARA LUKESCH

Zollikon verfügt über nahezu keine Alterswohnungen. Die Gemeinde verwaltet zwar 10 Wohnungen im Attikageschoss des Wohn- und Pflegezentrums Blumenrain und 11 Objekte in der Alterssiedlung Hinterdorf. Doch erstere sind so teuer, dass viele Leute sie sich niemals leisten könnten; letztere sind zwar preiswert, aber so begehrt, dass eine lange Warteliste neuen InteressentInnen den Zugang massiv erschwert, wenn nicht verunmöglicht.

Der 92-jährigen Beatrice Landert, der kürzlich die Wohnung an der Langwattstrasse im Zollikerberg gekündigt wurde, nützt weder das eine noch das andere Angebot. Sie bräuchte dringend eine Unterkunft, die monatlich nicht mehr als 1200 Franken kostet. Die alte Frau ist kein Einzelfall, und die Situation wird sich verschärfen: im Bezirk Meilen müssten bis in 15 Jahren zusätzlich 2’500 bis 5’000 bezahlbare, altersgerechte Wohnungen bereitgestellt werden, schrieb der «Tages-Anzeiger» vor einigen Tagen.

Auch Zollikon hat das Problem erkannt. In seinen Legislaturzielen hat der Gemeinderat als Schwerpunkt festgehalten, dass künftig «verschiedene Wohnformen für das Wohnen im Alter bedarfsgerecht zur Verfügung stehen sollen».

Erwartungsgemäss startete man in der Folge eine Bevölkerungsbefragung, um den Bedarf akkurat erheben zu können. Im April 2024 wurde allen über 60-Jährigen die Befragung «Wohnen und Leben im Alter in Zollikon» per Post zugeschickt. Ende September letzten Jahres kommunizierte Estelle Thomet, Abteilungsleiterin Gesellschaft, die Ergebnisse und hielt fest: «Die ausserordentlich hohe Rücklaufquote (46,8 Prozent, die Red.) hat das grosse Interesse und die Wichtigkeit des Anliegens des guten Wohnens im Alter für die ältere Bevölkerung deutlich aufgezeigt.» Der erhobene Bedarf werde im weiteren politischen Prozess miteinbezogen.

Gemeinderat erwägt Prüfung

Seit der Publikation der Umfrageergebnisse ist ein Jahr vergangen. Was ist seither passiert? Fragt man Corinne Hoss-Blatter, Mitglied der Sozialbehörde, konstatiert sie knapp: «In unserer Behörde haben wir noch keinen Moment über die Umfrage geredet.» Sie hoffe einfach nicht, dass die Resultate wie so vieles andere auch in der Schublade verschwinden.

Sandra Fischer, Gemeinderätin und Ressortvorsteherin Gesellschaft, bleibt in ihrer schriftlichen Antwort auf eine Anfrage der «ZollikerNews» sehr allgemein. Da ist von einer «ganzheitlichen Betrachtung» die Rede und «der engen Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren». Sie schreibt: «Sollte sich im Rahmen eines Projekts ein Bedürfnis nach Alterswohnen zeigen, was ich sehr unterstützen würde, liegen mit der Umfrage belastbare Resultate vor, die aufzeigen, worauf dabei besonders zu achten ist.»

Die Umfrage habe gezeigt, dass viele Menschen möglichst lange in ihrer eigenen Wohnung bleiben möchten, betont Fischer. Daraus folge, dass die ambulante Versorgung «stabil und leistungsfähig» sein müsse. Das sind freilich keine neuen Erkenntnisse. Es ist längst bekannt, dass nur ein verschwindend kleiner Teil der alten Menschen im Moment der Pflegebedürftigkeit bereit ist, in eine Betreuungseinrichtung wie ein Alters- und Pflegeheim zu wechseln. Entsprechend bedeutsam, auch das ist bekannt, sind Angebote wie die Spitex oder Ambulatorien.

Die Schlussfolgerung, die die Gemeinderätin nun zieht, wirkt mutlos und hat allen Elan eingebüsst, den noch Abteilungsleiterin Estelle Thomet in ihrem Schreiben verbreitet hatte: Laut Fischer «prüfe» (sic!) der Gemeinderat, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, um in der nächsten Legislatur (das hiesse, ab 2027) eine nachhaltige Lösung zur Sicherstellung der Versorgung zu entwickeln.

Da wird ein virulentes Bedürfnis der Bevölkerung offensichtlich auf die lange Bank geschoben.

Die Vorschläge des Experten

Der Altersforscher und emeritierte Professor Francois Höpflinger sieht in der Zolliker Umfrage einen ersten Schritt, dem konkrete Handlungen folgen sollten. Die Umfrage schätzt er als «gut gemacht» ein, wobei «die Fragen allerdings sehr allgemein bleiben und der spezifische lokale Wohnkontext im Bericht kaum diskutiert wird». Damit blieben viele Aussagen zu allgemein.

Herr Höpflinger, welche konkreten ersten Schritte würden Sie aus den Ergebnissen der Zolliker Befragung und des runden Tischs ableiten?

Unter anderem würde ich eine Siedlungsassistenz einrichten, die bei den Befragten ja eine hohe Zustimmung erfahren hat. Darunter versteht man eine Person, die telefonisch erreichbar ist und einige Stunden pro Woche auch vor Ort und bei der Organisation von Serviceleistungen wie dem Aufhängen einer Lampe behilflich wäre.

Das dürfte aber nicht ausreichen, um das Thema Alterswohnen in der Gemeinde wunschgemäss voranzutreiben.

Siedlungsassistenzen bringen viel. Sie sind vor Ort und können lokal vorhandene Herausforderungen besser und konkreter erkennen und gezielt Massnahmen zugunsten vulnerabler alter Menschen ansprechen und dann auch einleiten. Als gut vernetzte Fachperson kann sie das Thema auch zielgerichteter in die politische Diskussion einbringen.

Und dann? Was wären gemäss Ihrer Erfahrung die naheliegendsten nächsten Schritte, die die Gemeinde machen müsste?

Ein nächster Schritt, der auf den Ergebnissen der Umfrage, aber auch des runden Tischs beruhen müsste, wäre die Erstellung eines lokalen Massnahmenkatalogs. Darin müssten unbedingt auch die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen dessen aufgeführt werden, was die Gemeinde unternehmen kann.

Das heisst konkret?

Dass man klärt, über welche Landreserven die Gemeinde verfügt, auf denen altersgerechte Wohnungen erstellt werden könnten. Aber auch prüft, ob allenfalls private Initiativen in diesem Bereich geplant sind.

Wann bleiben solche Bevölkerungsbefragungen wirkungslos?

Wenn nicht sofort weiterführende Projektgruppen zusammengestellt werden, die konkrete Massnahmen erarbeiten.

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Ich beteiligte mich wie viele andere Senioren an der Umfrage im April 2024, machte mich in dieser Zeit über Wohnformen im Alter klug, war gespannt auf die Ergebnisse der Umfrage und auf die Handlungsschritte, welche die Gemeinde daraus ableiten würde.
Als es ein halbes Jahr später hiess, die Umfrage sei ausgewertet, der Bericht liege vor, bloss dürfe er nicht kommuniziert werden, weil der Gemeinderat ihn noch nicht genehmigt habe, sank meine Motivation, mich mit dem Thema zu beschäftigen. Und mir kam der Verdacht, hier versande einmal mehr ein bedeutendes Anliegen der Bevölkerung.
Inzwischen sind anderthalb Jahre vergangen. Lese ich, was in den «ZollikerNews» steht, bestätigt sich mein Verdacht. Ich erkenne kaum eine klare Strategie, wie man dem Wohnproblem im Alter in unserer Gemeinde beikommt. Und konkrete Schritte scheinen ohnehin ein frommer Wunschtraum zu sein.
Angesichts der kommenden Wahlen 2026 vermute ich, dass die politischen Prioritäten in den nächsten Monaten einmal mehr auf einer Bühne inszeniert werden, welche wenig mit dem Wohnen im Alter zu tun hat.

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