«Macht niemals mit bei solchen Geschichten!»
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13. November 2025 – Mobbing und die Gefahren in den digitalen Medien standen im Zentrum, als der Kantonspolizist Marco Selenati diese Woche eine erste Sekundarschul-Klasse im Buechholz besuchte. Der Instruktor informierte – und warnte davor, sich an Straftaten zu beteiligen.

VON BARBARA LUKESCH
Marco Selenati ist eine beeindruckende Erscheinung: gross, stattlich, aufrecht, dazu uniformiert und bewaffnet mit Pistole und Pfefferspray. Seine 34 Jahre bei der Kantonspolizei sind an seinen Gesichtszügen nicht spurlos vorübergegangen.
Wichtiger an diesem Morgen aber sind die letzten zehn Jahre, in denen er nahezu täglich als Schulpolizist im Einsatz war und zahllose Klassen von der Kindergarten- bis zur Oberstufe über die Gefahren im Strassenverkehr oder – wie am Dienstag im Buechholz – in den digitalen Medien aufgeklärt hat.
Der schwarzhaarige Kinder- und Jugend-Instruktor kann ziemlich streng schauen, aber er ist auch ein freundlicher, aufmerksamer Mann, ein richtiger Freund und Helfer eben, der weiss, wie er die 12- und 13-jährigen Mädchen und Knaben ansprechen muss. Dazu ist er ein guter Lehrer.
Schwerpunktthema Mobbing
Die beiden Lektionen, die er am Vormittag in einer ersten Sekundarklasse im Schulhaus Buechholz hält, sind klar aufgebaut und kindsgerecht aufbereitet.
Das Schwergewicht liegt auf dem Thema Mobbing. Nachdem er erklärt hat, dass man von Mobbing spricht, wenn eine Gruppe eine einzelne Person über längere Zeit plagt, zeigt er anhand eines kurzen, attraktiven Films den möglichen Verlauf eines einzelnen Falls.
Stella wird von ihrer Klasse auf alle erdenkliche Arten fertiggemacht. Mit Worten im Klassenchat, wo sie beleidigt und mit Unwahrheiten attackiert wird, aber auch ganz handfest beim Turnen, wo sie ausgegrenzt wird und die Gruppe ihr letztlich ihr Sportzeug und einen neuen Turnschuh klaut. Die Anführerin, Marco Selenati spricht von der «Haupttäterin», ist Olivia, der es gelingt, in der Klasse einige MitläuferInnen um sich zu scharen.
Der Polizist zeigt eine erste Sequenz des Films und lässt dann die SchülerInnen zusammenfassen, was Stella alles widerfährt. Dazu sammelt er nochmals die Folgen, die das Mobbing hat: Stella schläft schlecht, isst kaum noch, beginnt sich zu ritzen und denkt an Selbstmord.
Eines Tages googelt Stella «Ich will nicht mehr leben». Hier hakt Selenati nach: «Was genau will sie damit sagen?» Schnell kommt die Antwort aus der Klasse: «Sie sucht Hilfe.» Der Polizist nickt und will wissen, wo man in einer solchen Situation denn Hilfe bekommen könnte. Die Aufzählung der Kinder reicht von der Telefonnummer 147 von Pro Juventute über ihre Schulsozialarbeiterin Frau Cassani bis hin zu Mami und Papi. Ja, und warum nicht auch bei der Polizei?, fragt ein Schüler. Selenati schmunzelt: «Ja, klar».
Sensibilisierung für Straftaten
Den zweiten Teil des Films lässt der Instruktor didaktisch geschickt von den Kindern gedanklich vorwegnehmen: wie könnte Stellas Geschichte jetzt weitergehen? Könnte sie die Schule wechseln? Selenati zieht die Stirn kraus: Ob es nicht ungerecht sei, wenn das Opfer gehen müsse, während die Täterin bleiben könne? Sich Verstärkung holen? Mit der Lehrerin reden? Gute Ideen. Eine eigene Gegengruppe bilden? Selenati hat Zweifel, ob das wirklich gescheit sei.
Im Wunsch, den Kindern das zerstörerische Ausmass eines Mobbingfalls vor Augen zu führen, greift er manchmal auch zu drastischen Schilderungen. Es gebe tatsächlich Betroffene, die sich das Leben nehmen. Gleichzeitig ist es ihm aber auch ein wichtiges Anliegen, die Klasse dafür zu sensibilisieren, was das für Straftaten sind, wenn TäterInnen jemanden zu Boden werfen, ihm Sachen stehlen oder im Chat beleidigende oder demütigende Aussagen machen.
Mit Nachdruck warnt der Polizist davor, dass man sich auch als MitläuferIn eines Mobbingdelikts strafbar mache. «Mitgegangen – mitgefangen», heisse es im Volksmund, und genau so sei es.
Polizei sichert Beweismittel
Dann legt Marco Selenati noch einen Zacken zu. Wer im Klassenchat schreibe «Fick dich, du bitch!» oder «Du huere Spasti!» müsse damit rechnen, dass die Polizei aktiv werde und Beweismittel sicherstelle. Dann könne es passieren, dass es morgens um 7.30 Uhr an Haustüren läute, zwei Polizisten davorstehen, den Verdächtigen die Handys abnehmen und sie in Handschellen legen, um sie mit auf die Wache zu nehmen. Das Handy wandere in eine Papiertüte, in der Beweismittel aufbewahrt würden, und – Horror pur! – bleibe mindestens drei Monate gesperrt, bis es ausgewertet sei.
Fazit des Ordnungshüters: «Macht niemals mit bei solchen Geschichten!»
Der Film über Stella und ihre Klasse endet mit einem Happy End. Ihre Freundin zeigt Zivilcourage und informiert die Lehrerin, als sie das Ausmass von Stellas Leiden erfasst. Die Lehrerin konfrontiert die Eltern der Täterin und aller Mitläufer. Am Ende ist Olivia, die Hauptschuldige, von der Bildfläche verschwunden und Stella sitzt glücklich im Kreis einiger Mitschülerinnen.
Nahrhafte 90 Minuten
Die Buechholz-Klasse ist beeindruckt. Sie stellt zahllose Fragen: «Gibt es auch bei uns an der Schule Mobbingopfer?» – «Sind viele Jugendliche in der Schweiz im Gefängnis?»
Zum Ende des Vormittags wird alles etwas hektisch. Im Eilzugstempo geht der Polizist weitere Internetdelikte durch wie Sexting, das Verschicken anzüglicher Nachrichten und Bilder via soziale Medien, Pornografie im Netz, Pädokriminalität und Pedo-Hunting, das Jagen vermeintlicher Pädosexueller in Form von Selbstjustiz.
Die 90 Minuten sind nahrhaft, viele Informationen aber wertvoll und hilfreich für die jungen Menschen. Nur schon der wiederholte Tipp «Passt auf, was ihr in den sozialen Medien postet! Ihr hinterlasst überall Spuren!», aber auch der Film und die Diskussionen dienen mit Sicherheit der Sensibilisierung der 12- bis 13-Jährigen und machen sie vorsichtiger im Umgang mit Insta, TikTop & Co.
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