Deponie Zollikerberg noch nicht abgewendet
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27. November 2025 – Der Regierungsrat hält trotz massiven Widerstands aus der Gemeinde am Deponiestandort Zollikerberg fest. Die Argumente des Gemeinderats und der IG DepoNIE-Zollikon fanden wenig Gehör. Nun geht das Geschäft zur Beratung und Festsetzung in den Kantonsrat. (1 Kommentar)
27. November 2025 – Der Regierungsrat hält trotz massiven Widerstands aus der Gemeinde am Deponiestandort Zollikerberg fest. Die Argumente des Gemeinderats und der IG DepoNIE-Zollikon fanden wenig Gehör. Nun geht das Geschäft zur Beratung und Festsetzung in den Kantonsrat.

VON RENE STAUBLI
Am 12. November hatte der Zürcher Regierungsrat Zollikon bei der Teilrevision des Richtplan-Kapitels «Energie» von der Liste der möglichen Standorte für Windkrafträder gestrichen. Im Gegenzug hält er nun bei der Teilrevision «Umwelt» am Deponie-Standort Brunnenwisen im Zollikerberg fest. Dies, nachdem eine Fachkommission mehr als 3000 Einwendungen und Anträge von Gemeinden, Verbänden, politischen Parteien und Privaten gesichtet und beurteilt hatte.
Schon im April hatte der zuständige Regierungsrat Martin Neukom (Grüne) bei der Vorstellung der Pläne für die 19 neuen Deponiestandorte gewarnt: «Es wäre das falsche Signal, dass jene belohnt werden, die Widerstand leisten.»
Nirgends war der Protest so umfassend organisiert wie in Zollikon, wo sich der Gemeinderat, Vereinigungen, Verbände, Parteien, Institutionen und betroffene Anwohner unter der Leitung von Bauvorstand Dorian Selz mehrmals an einem runden Tisch versammelten, um Strategien zur Verhinderung der Deponie Brunnenwisen zu entwerfen und den Widerstand zu koordinieren.
Im Februar reichte die Gemeinde beim Kanton einen formalen Protest gegen die geplante Aufnahme in den kantonalen Richtplan ein. Aus Zollikon gingen beim Kanton zudem über 700 schriftliche Einwendungen ein. Rund 3500 Personen unterzeichneten ausserdem eine Petition der eigens gegründeten IG DepoNIE-Zollikon. Im direkt betroffenen Sennhof-Quartier wurden Protestbanner aufgehängt.

Differenzen zwischen Gemeinde und Kanton
Die Gemeinde argumentierte unter anderem, es handle sich beim Gebiet Brunnenwisen um ein «wertvolles Biotop mit geschützten Arten in grosser Zahl und von ausserordentlichem Wert», darunter solchen, die auf der «Roten Liste» der besonders geschützten Arten stehen. Ausserdem liege der geplante Deponiestandort weniger als 100 Meter vom bestehenden Wohngebiet Sennhof entfernt. Das seien zwei Ausschlusskriterien, die das kantonale Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) in seinem Kriterienkatalog für neue Deponiestandorte selber festgelegt habe.
Der Kanton lässt das so stehen und erklärt stattdessen, er wolle «die genaue Distanz zum Siedlungsgebiet und Vorschüttungen als Sichtschutzmassnahme» erst später im Gestaltungsplan «definieren». Was das Biotop angehe, so beeinflusse eine Deponie «immer auch die lokalen Natur- und Umweltverhältnisse». Im Rahmen der Umweltverträglichkeits-Prüfung (UVP) würden diese Verhältnisse «detailliert abgeklärt und soweit möglich vor Ort kompensiert». Manch alte Deponien und Gruben seien heute «wertvolle Naturschutzgebiete», fügt er hinzu. Beim Standort Brunnenwisen gehe man davon aus, «dass eine landschaftsverträgliche Einbettung möglich» sei.
Aus Sicht der Gemeinde kommt «Brunnenwisen» auch deshalb nicht als Deponiestandort in Frage, weil die Binzstrasse für den zu erwartenden Lastwagenverkehr nicht geeignet sei und die geplante Route durch dicht besiedeltes Gebiet führe. Bereits heute seien die Zufahrtswege stark überlastet; die bestehenden Verkehrsprobleme würden erheblich verschärft.
Der Kanton stellt sich auf den Standpunkt, dass die Forch- und die Binzstrasse «den Anforderungen des durch die Deponie verursachten Verkehrs genügen». Die detaillierten Verkehrsprognosen (Routen und Fahrten) würden aber erst im Rahmen der UVP erstellt und beurteilt.
Die Gemeinde und die IG argumentieren im weiteren, dass das Gebiet Brunnenwisen in den Rossweidbach entwässere, der in den Wehrenbach und schliesslich in den Zürichsee münde. Verunreinigungen könnten gravierende Folgen haben. Die Wahl des Standorts am Rand des Naturschutzgebietes Wehrenbachtobel sei unbegreiflich. Die Lärmbelästigung und die Luftverschmutzung würden die Lebensqualität der betroffenen Bevölkerung erheblich beeinträchtigen.
Aus der Sicht des Kantons ist im Gebiet Brunnenwisen «kein nutzbares Grundwasser bekannt». Das Sickerwasser einer Deponie werde gefasst und kontrolliert abgeleitet, «so dass zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für Oberflächengewässer oder in der Folge für den Zürichsee» bestehe. Das Gebiet Brunnenwisen sei «in dieser Hinsicht ideal, da der Deponiestandort bereits im Bereich des eingedolten Rossweidbachs» liege. Dieser müsse «im Rahmen des Deponieprojekts ausgedolt und renaturiert werden».
Der Kanton weist auch die Kritik der IG DepoNIE zurück, wonach der Bedarf an Deponien generell zu hoch angesetzt sei, weil man die Möglichkeiten der Kreislaufwirtschaft (Recycling, alternative Baustoffe) zu wenig berücksichtige.
Trotz Kreislaufwirtschaft seien weiterhin Deponien notwendig, entgegnet der Kanton, denn gerade aus der Bauwirtschaft kämen «jetzt die Materialien, welche vor 50 Jahren verbaut wurden und oft nicht kreislauffähig sind (z.B. Leichtbeton, Isolationsmaterial etc.).»
Die detaillierten Anträge und Einwendungen aus Zollikon und die Antworten des Kantons können im sogenannten Mitwirkungsbericht auf den Seiten 42 bis 46 nachgelesen werden.
Zollikon hat laut Kanton zweite Priorität
Bei der Argumentation des Kantons fällt auf, dass er wesentliche Abklärungen erst im Rahmen der Umweltverträglichkeits-Prüfung und der Gestaltungsplanung vornehmen will. Warum schiebt er die Beantwortung derart wichtiger Fragen auf die lange Bank?
Die Baudirektion gibt dazu folgende Erklärung ab: «Bei der Auswahl der Deponiestandorte, die für den Richtplan vorgeschlagen werden, wurden verschiedene Ausschluss- und Bewertungskriterien herangezogen und die am besten geeigneten Standorte ausgewählt. Gewisse Konflikte, unter anderem auch aufgrund von Naturwerten, der Erschliessung oder der Eignung des Deponietyps, die nicht direkt zu einem Ausschluss führen, werden für die weiteren Planungsschritte festgehalten und berücksichtigt. Erst mit der detaillierteren Planung und vertieften Untersuchungen eines solchen Deponiestandorts zeigt sich, ob diese Konflikte lösbar sind oder andere Interessen überwiegen. Diese Schritte werden nicht auf Stufe Richtplan gemacht, sondern im Rahmen des späteren Gestaltungsplanverfahrens – bei dem ebenfalls die Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgt. Ein Eintrag im Richtplan heisst noch nicht, dass ein Deponiestandort schlussendlich realisiert werden kann. Dies ist mit ein Grund, wieso mehr Standorte für einen Richtplaneintrag vorgeschlagen werden, als voraussichtlich benötigt werden. Zu beachten ist auch, dass der Standort Zollikon, Brunnenwisen, zweite Priorität hat. Die Detailplanung wird somit später anhand der dann gültigen Voraussetzungen durchgeführt werden. Der Standort Neuweid, Maur, soll zuerst realisiert werden.»
Allerdings ist auch in Maur der Widerstand gross. Der dortige Gemeinderat lehnt die Eintragung des Standorts Neuweid nach wie vor mit ähnlichen Argumenten wie die Zolliker Seite ab.
«Ein Affront»
Gemeinderat Selz zeigte sich in einer ersten Reaktion sehr überrascht, dass der Regierungsrat am Standort Brunnenwisen – wenn auch als Ersatzstandort – festhält: «Wir werden die heute veröffentlichten Unterlagen sorgfältig prüfen und uns weitere Schritte überlegen.» Eine ausführliche Stellungnahme folge zu einem späteren Zeitpunkt.
Für Christian Baertschi, Vorstandsmitglied der IG DepoNIE-Zollikon, sind die Antworten des Kantons «ein Affront». Von einem echten Mitwirkungsprozess könne nicht die Rede sein, wenn der Kanton nicht einmal Fragen zu seinen eigenen Ausschlusskriterien beantworte.
Fragen wirft bei Zolliker Exponenten auch eine Passage auf Seite 43 des Berichts auf. Dort bricht ein Satz plötzlich ab: «Der Umgang mit dem Waldstandort muss im Gestaltungsplanverfahren unter Einbezug der ». Manche wittern hier eine bewusste Vertuschung und Manipulation.
Auf Anfrage der «ZollikerNews» lieferte die Medienstelle der Baudirektion den völlständigen Satz nach: «Der Umgang mit dem Waldstandort muss im Gestaltungsplanverfahren unter Einbezug der verschiedenen Anspruchsgruppen erfolgen.»
Gemeinde schürt Hoffnungen
In ihrer Mitteilung auf der Website schreibt die Gemeinde Zollikon hoffnungsvoll, die Brunnenwisen als neuer Ersatzstandort solle erst zum Zug kommen, «falls der Standort Neuweid in Maur nicht realisiert werden kann oder verfüllt ist». Die Brunnenwisen ist kein neuer Ersatzstandort, sie war das schon vor einem Jahr. Der Kanton hielt damals fest, dass «am Ende der Kantonsrat über die Festsetzung der neuen Standorte wie auch über die Priorisierung zweier benachbarter Standorte entscheiden» werde.
Der überarbeitete Richtplan wird nun in der zuständigen Kommission für Energie, Verkehr und Umwelt KEVU überprüft, gegebenenfalls angepasst und dem Kantonsrat zur Abstimmung unterbreitet. Dies könne erfahrungsgemäss zwischen mehreren Monaten und einem Jahr dauern, heisst es bei der Baudirektion. Die Kommission werde die Beratung voraussichtlich im ersten Quartal 2026 aufnehmen. Mit einem Entscheid des Kantonsrats sei erst 2027 zu rechnen.
«Spätestens in der kantonsrätlichen Beratung wird sich die Gelegenheit bieten, mit unseren Volksvertretern im Kantonsrat Kontakt aufzunehmen und uns in den Verfahrensprozess einzubinden», heisst es auf der Website von DeponNIE-Zollikon. Diese VertreterInnen sind seit Jahren Corinne Hoss-Blatter (FDP) und neu Sascha Ullmann (GLP).
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