«Social Freezing ist sehr populär geworden»

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10. Dezember 2025 – Adriana Peric ist Reproduktionsmedizinerin am «360o Kinderwunschzentrum» in Zollikon und behandelt jede Woche Frauen, die ihre Eizellen einfrieren lassen wollen. Sie erklärt, wie diese Technik funktioniert und welche Vor- und Nachteile damit verbunden sind.

10. Dezember 2025 – Adriana Peric ist Reproduktionsmedizinerin am «360o Kinderwunschzentrum» in Zollikon und behandelt jede Woche Frauen, die ihre Eizellen einfrieren lassen wollen. Sie erklärt, wie diese Technik funktioniert und welche Vor- und Nachteile damit verbunden sind.

Adriana Peric in ihrem Büro (Foto ZN)
Adriana Peric in ihrem Büro (Foto: ZN)

INTERVIEW: BARBARA LUKESCH

Frau Peric, unser Thema ist Social Freezing, das Einfrieren eigener Eizellen, um sie später verwenden zu können. Warum soll diese Technik sozial sein?

Der Begriff soll vor allem den Unterschied zum Medical Freezing deutlich machen. Medical Freezing kommt dann zum Einsatz, wenn es einen medizinischen Grund für das Einfrieren der Eier gibt. Das kann eine Krebserkrankung sein, die eine Chemotherapie nötig macht, was die Eierstockreserve der betroffenen Frau reduzieren kann.

Warum wenden Frauen das Social Freezing an?

In der Regel stehen diese Frauen an einem Punkt in ihrem Leben, wo sie sich auf ihre Karriere konzentrieren möchten und noch keine Möglichkeit sehen, schon zu diesem Zeitpunkt Kinder zu bekommen. Anderen fehlt der geeignete Partner, mit dem sie sich eine Familiengründung vorstellen können. Es sind also, wenn man so will, soziale Gründe, die diese Frauen dazu bewegen, eigene Eier einzufrieren, um sich die Option Mutterschaft für ihre Zukunft aufrechtzuhalten.

Manchmal liest man auch von Egg Freezing. Würde dieser Begriff nicht besser passen?

Das ist der Oberbegriff für Social und Medical Freezing. Er ist letztlich weniger präzise.

Sprechen wir also von Social Freezing. Was passiert dabei rein technisch?

Für das Social Freezing brauchen wir mehr Eizellen, als die Natur Monat für Monat bereitstellt. Die optimale Zahl liegt bei rund 15 Eizellen. Um diese Überproduktion zu erreichen, spritzen wir den Frauen höhere Dosen Hormone, als ihr Körper sie normalerweise produziert. Wie viele Eizellen sich letztlich bilden, ist sehr individuell. Es hängt beispielsweise von der Eierstockreserve der einzelnen Frau ab, aber auch von ihrem Alter.

Welche zusätzlichen Untersuchungen sind erforderlich?

Wir machen natürlich von Anfang an Ultraschalluntersuchungen, um festzustellen, ob die Frauen gesund sind, zum Beispiel keine Zysten an den Eierstöcken haben. Eine Woche später folgt dann der nächste Schall, um zu messen, wie viele Eibläschen wachsen und wie gross sie sind. Anhand der Grösse entscheiden wir, wann der ideale Zeitpunkt für die Entnahme ist.

Wie läuft die Eizellen-Entnahme ab?

Der Eingriff, der rund 20 Minuten dauert, wird in Narkose durchgeführt. Mit Hilfe einer feinen Nadel, die am normalen Ultraschallgerät befestigt ist, dringt man durch die Scheidenwand, die sehr dünn ist, in den Unterleib ein und punktiert den Eierstock. Das heisst, wir saugen die Eizellen ab und geben sie direkt an unser Labor weiter, das sich Wand an Wand mit unserem Eingriffsraum befindet. Dort sitzt die Embryologin, die die Eizellen unter dem Mikroskop überprüft und sie dann in sogenannten Straws, feinsten Glasröhrchen, einfriert.

Wo werden die Eizellen eingefroren und gelagert?

Das sind Tanks in unserem Labor, in denen sich flüssiger Stickstoff befindet, der mit minus 196 Grad extrem kalt ist. Mit Hilfe von Sensoren wird überwacht, ob noch genügend Stickstoff vorhanden ist. Sobald ein gewisses Level unterschritten ist, wird ein Alarm ausgelöst.

Was kostet Social Freezing?

Das hängt davon ab, wie hoch die Hormondosis ist, die eine Frau zur Stimulierung der Eizellenproduktion braucht. Der Eingriff selber kostet rund 5000 Franken. Der Fairness halber staffeln wir die Tarife je nach Anzahl Eizellen, die eine Frau einfrieren lassen kann. Für die Lagerung fallen jährlich weitere 400 Franken an.

Was bezahlt die Krankenkasse?

Im Gegensatz zum Medical Freezing übernehmen die Krankenkassen leider nichts. Die Frauen müssen also alles selber bezahlen.

Das heisst, Social Freezing ist eher gutbetuchten Frauen vorbehalten?

Sagen wir es so: Einen Betrag in dieser Höhe kann sich tatsächlich nicht jede Frau leisten, vor allem dann nicht, wenn sie erst am Anfang ihrer beruflichen Karriere steht. Andererseits ist es ein medizinischer Eingriff, der nicht ganz einfach ist und vor allem im Labor viel Aufwand erfordert.

Ist es auch ein gefährlicher Eingriff?

Es ist inzwischen ein Routineeingriff, der häufig durchgeführt wird und mit sehr, sehr kleinen Risiken verbunden ist. Natürlich gibt es wie bei jedem medizinischen Eingriff gewisse Risiken, aber die liegen deutlich unter einem Prozent. Das kann eine Verletzung eines inneren Organs sein oder eine gewisse Nachblutung. Auch die Hormongabe kann Nebenwirkungen haben, so dass beispielsweise die Eierstöcke etwas vergrössert sind. Aber – wie gesagt – wir verfügen über sehr viel Erfahrung mit diese Technik.

Wie gross ist denn die Nachfrage nach Social Freezing?

Ich bin seit 2014 Reproduktionsmedizinerin und stelle fest, dass Social Freezing in den letzten fünf Jahren sehr populär geworden ist. Als ich mit meiner Ausbildung begonnen habe, war es eine grosse Ausnahme, wenn eine Frau danach fragte. Nach wie vor ist Social Freezing ein medizinisches Angebot, das vor allem karrierebewusste Frauen in grösseren Städten nutzen, wo auch die grossen Firmen angesiedelt sind.

Sie sprechen die Firmen an. Es wurde letzthin bekannt, dass Firmen wie Google ihren Mitarbeiterinnen die Kosten für Social Freezing abnehmen und ihnen damit nahelegen, diese Technik zu nutzen. Man möchte offenbar Karriereunterbrüche zum «falschen» Zeitpunkt verhindern.

Es gibt tatsächlich solche Firmen, und wir haben auch hin und wieder Patientinnen, die auf diesem Weg zu uns kommen. Ob die Firmen ihnen mit ihrer Zahlung diesen Schritt nahegelegt haben, kann ich nicht beurteilen. Aber angesichts der Kosten, die der einzelnen Frau mit dem Social Freezing entstehen, eröffnen sie den Betroffenen natürlich eine gute Möglichkeit, sich zunächst einmal auf ihre Karriere zu fokussieren. Wobei man ehrlicherweise zugeben muss, dass das Social Freezing keine Garantie dafür ist, dass man dann mit – sagen wir – 39 Jahren noch schwanger wird. Der sicherste Weg ist nun mal, so früh wie möglich auf natürlichem Weg ein Kind zu bekommen. Aber es erhöht natürlich die Chancen, dass es auch zu einem späteren Zeitpunkt noch mit einer Schwangerschaft klappen kann.

Gibt es denn ein ideales Alter für die Eizellenentnahme, um die Chance auf eine Schwangerschaft zu erhöhen?

Meine Empfehlung lautet ganz klar: vor 35. Nachher nimmt die Fruchtbarkeit deutlich ab. Nicht bei jeder Frau, aber doch bei den meisten.

Das Gesetz in der Schweiz legt fest, dass man die gefrorenen Eizellen maximal zehn Jahre aufbewahren darf. Welchen Einfluss auf das Verhalten der einzelnen Frau hat diese zeitliche Limitierung?

Zum Einen ist es eine lange Zeitspanne, die Frauen auch dazu verleiten kann, das Thema Kinderwunsch erst mal auf die lange Bank zu schieben im Sinne von: ich habe ja noch ewig Zeit. Das kann schief gehen, und dann hat man nicht mehr so viele Möglichkeiten, um auf natürlichem Weg schwanger zu werden. Andererseits führt diese Limite auch dazu, dass die Frauen ihre Eizellen nicht zu früh, also mit 26, einfrieren sollten, weil sie dann plötzlich Mitte dreissig, auf dem Höhepunkt ihres beruflichen Aufstiegs, unter Druck geraten und ihre Eizellen nutzen sollten.

Wie alt sind die Frauen, die zu Ihnen ins «360o Kinderwunschzentrum» zum Social Freezing kommen?

Im Schnitt zwischen 33 und 36.

Wie viele Behandlungen führen Sie pro Woche durch?

Meist vier bis fünf.

Auf welchem Weg erfahren die Frauen heutzutage von Social Freezing?

Einige unserer Patientinnen sagen, dass ihre Freundin sich dazu entschieden und sie damit auch animiert hat. Dazu kommen Informationen auf Social Media, wo ja Gesundheitsthemen breit diskutiert werden. Der Ursprung des gestiegenen Interesses liegt mit Sicherheit darin, dass es für Frauen nach wie vor keine optimale Balance zwischen Beruf und Familie gibt, gleichzeitig aber die Karriereorientiertheit vieler Frauen gestiegen ist.

Nochmals zurück zum Technischen: Was passiert, wenn eine Frau eines Tages entscheidet, ihre gefrorenen Eizellen nutzen zu wollen?

Die Eizellen werden aufgetaut und im Reagenzglas mit einem Spermium des Ehemanns oder Partners befruchtet. Die Embryonen werden nach einigen Tagen mit einem dünnen Katheter direkt in die Gebärmutter der Frau übertragen, was ohne Narkose erfolgt.

Wie gross ist die Chance, auf diesem Weg schwanger zu werden?

Auch das ist von Frau zu Frau verschieden. Im Schnitt spricht man von einer Schwangerschaftschance von 30 bis 40 Prozent pro eingesetztem Embryo.

Was passiert mit den Eizellen, die nicht verwendet werden?

Gemäss Schweizer Gesetz müssen sie vernichtet werden. Die Eizellenspende ist ja bisher in der Schweiz verboten.

*Adriana Peric (40) hat in Deutschland Medizin studiert und ihre Ausbildung zur Fachärztin in Reproduktionsmedizin am Kantonsspital Luzern absolviert. Seit 2023 ist sie Ärztin am «360o Kinderwunschzentrum» in Zollikon und Zürich. Sie bekleidet ein 60 Prozent-Pensum und ist Mutter von drei Kindern. Mit ihrer Familie lebt sie in Rapperswil.

Teil 1: Interview mit Dominique Götze-Frank über die Menopause

Teil 2: Interview mit Isolde Tschurtschenthaler über den ersten Besuch junger Frauen bei der Gynäkologin

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