Empowerment-Fibel für Politikerinnen

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Nicole Waechter: «In meinem Umfeld bin ich immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt. ‹Wozu denn Politik machen?›, heisst es oft. Es reiche doch, dass ich alleinerziehende Mutter eines sechsjährigen Sohnes sei und meinen Master in Sustainable Business Development (…) (1 Kommentar)

VON NICOLE WAECHTER

In meinem Umfeld bin ich immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt. ‹Wozu denn Politik machen?›, heisst es oft. Es reiche doch, dass ich alleinerziehende Mutter eines sechsjährigen Sohnes sei und meinen Master in Sustainable Business Development an der Fachhochschule Graubünden mache.

Ich empfinde diese Stimmen als demotivierend. Natürlich absorbiert die politische Arbeit einen Grossteil meiner Freizeit, aber gleichzeitig erfüllt sie mich auch mit grosser Zufriedenheit. Politik ist meine Leidenschaft.

Auf der Suche nach einem Buch über anregende Frauenpersönlichkeiten bin ich auf den Sammelband ‹Schweizer Politfrauen – 21 Porträts, die inspirieren› gestossen. Die Konzentration auf Politfrauen elektrisierte mich. Das war doch genau mein Thema, und ich besorgte mir das Buch.

Innert Kürze verschlang ich die Texte über die Frauen, die Rang und Namen haben in der Schweizer Politszene: Bundesrätin Viola Amherd, Petra Gössi, ehemalige Parteipräsidentin der FDP, heute Ständerätin, die Zürcher GLP-Nationalrätin und Fraktionspräsidentin Corina Gredig, Eva Herzog, die SP-Ständeratspräsidentin und viele mehr. Ich selber bin ja noch eine blutige Anfängerin: vor gut einem Jahr Mitglied der GLP geworden, letztes Jahr für die Jungpartei als Nationalrats-Kandidatin angetreten und inzwischen im Vorstand und Präsidentin der GLP Zollikon.

Insofern hat mich alles brennend interessiert, was diese erfahrenen Frauen über ihren Werdegang erzählen. Ganz besonders hat mich Corina Gredig angesprochen, weil ihre Situation meiner in vielem gleicht: lange Zeit alleinerziehende Mutter, Studentin, Politikerin, die immer wieder unter Druck stand und Kritik einstecken musste. Beispielsweise, als die Partei sie als Nationalratskandidatin auf den aussichtsreichen dritten Listenplatz setzen wollte. Da gab es Neid und viel Widerstand in der eigenen Partei: ‹Frau und schön zu sein, reiche nicht›, liess man sie wissen. Ich schluckte leer. Die Reduktion auf das Aussehen kenne ich. Es ist eine hässliche Waffe im Kampf gegen Frauen, die einen schwächt. Um so mehr hat es mich aufgestellt, von Corina Gredig den Satz zu lesen: ‹Ich muss nicht mehr Everybodys’s Darling sein.›

Empowerment ist so wichtig, denn als junge Frau habe ich genug zu tun mit Selbstzweifeln. Genüge ich als 27-jährige Studentin neben all den Unternehmern, gebildeten Menschen mit Doktortiteln und hohen Positionen, denen ich im Politbetrieb und an Anlässen der Energiebranche begegne? Da kann man sich schon unsicher fühlen, und ich war froh um das Porträt von Ada Marra, der Waadtländer Vizepräsidentin der SP Schweiz. Beeindruckend, wie offen sie sich zu ihrer verletzlichen Seite bekennt, ihrer Angst, zu wenig gebildet zu sein und nicht allen Erwartungen zu entsprechen. Noch beeindruckender, wie sie ihren Gespenstern zu Leibe rückt: ‹Kämpfen war schon immer meine Sache. Ich bin eine Fighterin.› Nach der Lektüre fühlte ich mich voller Power. Danke, Ada Marra.

Wer mir genauso aus dem Herzen gesprochen hat, ist Eva Herzog. Natürlich mache ich mir als junge Mutter, die so karrierefokussiert ist wie ich, immer wieder Gedanken, ob ich meinen Sohn vernachlässige. In guten Momenten weiss ich, dass ich das nicht tue. Zugegeben, ich habe weniger Zeit als eine Frau, die sich ganz ihrer Familie widmet. Aber in den Stunden, in denen mein Sohn und ich zusammen sind, bekommt er meine volle Aufmerksamkeit. Handy im Flugmodus, wir gehen in den Wald, backen Schlangenbrot, basteln, spielen Gitarre. Reine Quality Time. Eva Herzog hält es offenbar ähnlich. Sie hat zwei Söhne, und es heisst über sie: ‹In den Ferien ‘tankte’ sie jeweils Familie: ‹Da habe ich die Buben richtig ‘inezoge’.› Das darf man also. Ich atmete auf.

Ihr verdanke ich auch einen wertvollen Hinweis zum Umgang mit Kritik: ‹Erst wenn ich den Dampf schon abgelassen habe, rufe ich zurück.› Ich realisierte sofort, dass sie mir damit den Ausweg aus einem Dilemma gewiesen hatte. Ich explodierte oft, wenn man mich kritisierte. Ich wollte einfach nicht alles auf mir sitzen lassen. Nun wurde mir aber auf einen Schlag bewusst, dass es eine viel bessere Lösung gibt: ‹Breathe and wait and respond later.› (Atme durch, warte und antworte später!) Dieser Satz, eigenhändig auf einem Zettel notiert, hängt seither an meiner Zimmerwand.» 

Nathalie Christen, Linda Bourget, Simona Cereghetti: «Schweizer Politfrauen – 21 Porträts, die inspirieren», Beobachter-Edition Zürich

Nicole Wächter (Jg. 1996), gebürtige Lettin, lebt seit 2002 in der Schweiz und ist seit 2014 eingebürgert. Nach ihrem Bachelor als Umweltingenieurin macht sie jetzt ihren Master in Sustainable Business Development an der FH Graubünden. Sie wohnt mit ihrem sechsjährigen Sohn in Zollikon. Seit 2022 ist sie Mitglied der GLP, kandidierte 2023 für den Nationalrat und schaffte es von Listenplatz 31 auf Platz 10. Seit Frühling 2023 Vorstandsmitglied der GLP Zollikon, ist sie inzwischen deren Präsidentin.

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Ich freue mich, Seite an Seite mit Nicole Wächter für Zollikon zu kandidieren. Sie bringt genau die praktische Erfahrung in die Schulbehörde, die es braucht. So werden gerade Zolliker Familien noch mehr von der Schule profitieren.

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