Befreiungsschlag in der Zentrumsplanung?

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31. Oktober 2025 – Ein kompakter Schulkomplex rings ums Oescher – im Gegenzug ein neues Gemeindehaus plus Alterswohnungen auf dem Beugi-Areal: mit dieser Idee überraschte der Gemeinderat am Mittwochabend die rund 90 BesucherInnen des 2. Dialogabends.

Angedachter Schulkomplex (Luftaufnahme: Adrian Michael, Grafik: ZN)
Angedachter Schulkomplex (Luftaufnahme: Adrian Michael, Grafik: ZN)

VON RENE STAUBLI

Konkret sieht die Idee des Gemeinderats zur Oescher-Verdichtung so aus: Das Gemeindehaus (1) wird von der Verwaltung geräumt und der Schule überlassen. Die beiden nicht geschützten Anbauten des Gemeindehauses (2) könnten abgerissen werden und neuen Schulbauten Platz machen. Die Fläche mit den Oescher-Containern (3) könnte für die Schule ebenfalls neu bebaut werden. Sollte dereinst ein zusätzliches Schulhaus nötig sein, käme es auf dem Parkplatz (4) bei der Bushaltestelle Gemeindehaus zu stehen. So entstünde ein kompakter, mit dem ÖV ideal erschlossener Schulkomplex rings um die bestehenden Oescher-Schulhäuser (5), erklärte Gemeindepräsident Sascha Ullmann.

Im Gegenzug würde die Verwaltung in ein neues Gemeindehaus auf dem Beugi-Areal ziehen. In dieser Zone für öffentliche Bauten könnte man auch Alterswohnungen und öffentliche Dienstleistungen wie Arztpraxen unterbringen. Entlang der Zollikerstrasse um die Bushaltestelle Beugi wäre eine zusätzliche Wohnüberbauung möglich.

Positive Rückmeldungen – und Kritik

Die Überlegungen des Gemeinderats schienen bei der Mehrheit der Anwesenden gut anzukommen. Jürgen Schütt, Präsident des Gemeindevereins Forum 5W, fand die Idee «reizvoll und unterstützenswert». Ullman hob die Vorteile hervor: Genügend Platz für die Schule, auch wenn die Schülerzahlen weiter steigen sollten. Konzentration der Schule inklusive der wachsenden Betreuungsangebote auf verdichtetem Raum. Erhaltung des bestehenden Grünraums. Neue Planungs-Perspektiven für das Beugi-Areal.

Nicht zu überhören war aber auch die Kritik, dass in Zollikon über Jahre geplant wird und aus diesen Planungen in aller Regel wenig entsteht. Dazu kamen am Dialogabend drei Beispiele zur Sprache.

1. Beugi: die unendliche Geschichte

Ehemaliges Altersheim Beugi: maroder Betonklotz (Fotos: ZN)
Ehemaliges Altersheim Beugi: maroder Betonklotz (Fotos: ZN)

Historie: Als das Wohn- und Pflegezentrum Blumenrain im Jahr 2016 bezugsbereit war, wurde im Dorfzentrum das 6300 m2umfassende Beugi-Areal frei. Die Gemeinde arbeitete ein Projekt aus, das die Abgabe der Parzelle im Baurecht an eine Zürcher Genossenschaft für den Bau von Eigentums- und Mietwohnungen sowie die unterirdische Ansiedlung des Grossverteilers Coop vorsah.

Dagegen regte sich Widerstand. In einer turbulenten Gemeindeversammlung sprach sich die Mehrheit der Anwesenden für die «Initiative Widmer» aus. Diese verlangte die Abgabe des Beugi-Areals im Baurecht an die Zolliker Baugenossenschaften, die Familien-, Senioren- und Kleinwohnungen für Einzelpersonen bauen, aber nebst der Migros keinen zweiten Grossverteiler ansiedeln wollten.

Der Zolliker FDP-Nationalrat Beat Walti verlangte daraufhin noch während der Versammlung mit Erfolg die Durchführung einer Urnenabstimmung. Die Stimmbevölkerung sprach sich im Juni 2018 dann aber ebenfalls klar für die «Initiative Widmer» und die Berücksichtigung der Zolliker Wohnbaugenossenschaften aus.  

Nach der Urnenabstimmung folgte eine vierjährige, für die Bevölkerung völlig intransparente Planungsphase, die 2022 mit einem Knall endete: Die Projektierung wurde abgebrochen, die «Initiative Widmer» sei «nicht umsetzbar», hiess es. Erst jetzt hatte die Gemeinde abgeklärt und erfahren, dass man vom Kanton für die nötige Umzonung des Beugi-Areals kein grünes Licht erhalten würde. Ausserdem wäre eine Mehrwertabgabe in Millionenhöhe fällig geworden, die das Projekt der Wohnbaugenossenschaften massiv verteuert hätte.

Seither sind weitere drei Jahre ohne erkennbare Planungsfortschritte vergangen.

Statements am Dialogabend

  • Aus dem Publikum werden Alterswohnungen gewünscht; es gebe in der Gemeinde viel zu wenig Kleinwohnungen für Ältere, die ihre grösseren Wohnungen oder Häuser aufgeben wollen.
  • Alterswohnungen wären möglich, aber unter den heutigen gesetzlichen Rahmenbedingungen würde der Kanton den Bau von Genossenschafts-Wohnungen nicht mehr akzeptieren.
  • Ein neues Gemeindehaus an bester Wohnlage auf dem Beugi-Areal würde nicht zu einer Belebung des Zentrums beitragen.

Fazit: Der Planungsprozess beginn wieder einmal von vorne. Einen zeitlichen Druck sieht der Gemeinderat nicht, weil man das Beugi seit Jahren der ETH als Studentenwohnheim vermietet und der Mittagstisch der Schule dort untergekommen ist.

2. Altersheim am See: Planungsstillstand

Das ehemalige Altersheim am See
Das ehemalige Altersheim am See

Historie: 1923 überliess Heinrich Ernst seiner Wohngemeinde Zollikon einen Teil seines Vermögens, darunter das Grundstück an der Seestrasse 109. Sein Vermächtnis sollte alten, bedürftigen Leuten zugutekommen. 1969 baute die Gemeinde auf dem Land das Alters- und Pflegeheim am See und wurde damit der Zweckbestimmung gerecht. 

Als 2016 das Wohn- und Pflegezentrum Blumenrain eröffnet wurde, benötigte man das Heim am See nicht mehr. Man wollte den Heinrich Ernst Fonds (HEF) auflösen, die Liegenschaft für mindestens 10 Millionen Franken an den Meistbietenden verkaufen und das Geld der Gemeindekasse gutschreiben. Die Gemeindeversammlung war damit einverstanden, aber es gab Rekurse aus der Bevölkerung durch alle gerichtlichen Instanzen.

2017 hob das Bundesgericht den Beschluss der Zolliker Gemeindeversammlung auf und bestimmte, dass ein Verkaufserlös der Liegenschaft nach wie vor als Sondervermögen ausgewiesen und dem ursprünglichen Zweck – alten Leuten helfen – zugeführt werden müsse.

Eine vom Gemeinderat eingesetzte Arbeitsgruppe schlug 2022 vor, die Liegenschaft wie ursprünglich geplant zu verkaufen. Der Nettoerlös solle gemäss den Flächenanteilen zu rund 83 Prozent dem HEF und zu rund 17 Prozent der Gemeindekasse zufliessen. Die Gemeindeversammlung begrüsste die saubere Aufteilung des Vermögens, lehnte aber den Verkauf der Liegenschaft ab; die Gemeinde solle die Liegenschaft als strategische Landreserve selber erwerben. Seither gehört der Gemeinde die Seeanlage samt Unterführung, dem HEF der Rest. Der Gemeinderat hat in den vergangenen Jahren etliche Zwischennutzungen ermöglicht, unter anderem die Unterbringung von Flüchtlingen.

Statements am Dialogabend

  • Die Gemeinde sollte den HEF mit 8 Millionen Franken auszahlen. Dann könnte der Fonds seinem Zweck gemäss soziale Projekte unterstützen, und die Gemeinde hätte mehr Freiheit, mit dem Areal nach eigenem Gutdünken umzugehen und es beispielsweise Dritten im Baurecht abzugeben.
  • Man könnte dort Alterswohnungen bauen, müsste aber dafür sorgen, dass es eine Einkaufsmöglichkeit und einen Transportdienst gäbe. Alterswohnungen würden aber wegen der nötigen Sanierung so teuer, dass sie mit dem Zweck des HEF nicht zu vereinbaren wären.
  • Aus Zürich kommt von einer Sozialbegleiterin der Vorschlag, im ehemaligen Altersheim eine «Bleibe für alternde KünstlerInnen und Kulturschaffende» einzurichten. Der Gemeinderat nimmt den Vorschlag entgegen.

Fazit: Gemeinderat Patrick Dümmler fragte Ullmann, ob man beim Altersheim am See «nicht endlich vorwärtsmachen müsste»? Ullmann: «Das ist nicht so dringlich, denn wir können dort Asylsuchende unterbringen, für die wir sonst keinen Platz hätten.»

Der Kanton redet (fast) überall mit

Die Diskussion an diesem zweiten Dialogabend zeigte ein Dilemma der Gemeinde auf: der Kanton schaut ihr – wie bei der Nutzung des Beugi-Areals – genau auf die Finger und bevormundet sie, wenn es um übergeordnete Planungen geht, etwa bei der Forchstrasse. Dort bestimmt der Kanton über die Verkehrsführung, das Tempo, die Sicherheitsmassnahmen und die Unterführungen.

3. Forchstrasse: allmächtiger Kanton

Der Wehrenbachtobel-Tunnel (doppelt gestrichelt) gemäss kantonalem Richtplan
Der Wehrenbachtobel-Tunnel (doppelt gestrichelt) gemäss kantonalem Richtplan

Historie: Vor 25 Jahren gab es Pläne, die Forchbahn zwischen Waldburg und Unterhueb unter den Boden zu verlegen. Die Forchbahn sprach sich von Anfang an gegen das Projekt aus.

Nach wie vor gibt es auch den Plan, die Forchstrasse vom Autoverkehr zu entlasten. Im Richtplan des Kantons Zürich ist der Wehrenbachtobel-Tunnel eingetragen. Gäbe es ihn, würden die Autos kurz nach Zumikon in den Untergrund Richtung Zürich-Witikon abtauchen. Die Forchstrasse würde «abklassiert», im Idealfall entstünde eine Wohnstrasse, und das leidige Verkehrsproblem im Zollikerberg wäre gelöst.

Der Gemeinderat hielt in seinen Legislaturzielen 2022-2026 fest, er wolle den Zollikerberg vom Durchgangsverkehr entlasten und die Forchbahn zum Tram umwandeln. Inzwischen ist nach einem Rechtsstreit klar, dass die Forchbahn nicht zum Tram wird und der Bau des Wehrenbachtobel-Tunnels nicht vor 2035 zu erwarten ist, wenn überhaupt.

Statements am Dialogabend

  • Kann man den Kanton nicht dazu bringen – wie von Anwohnern im Zollikerberg gewünscht –zwischen Zumikon und Zollikerberg Tempo 60 statt 80 einzuführen, einen Flüsterbelag zu verlegen und beim Dorfeingang auf die geplante Verkehrsinsel zur Temporeduktion zu verzichten? Gemeinderat Dorian Selz: «Wir haben Verständnis für die Anwohner und versuchen, auf den Kanton einzuwirken, aber letztlich wird er entscheiden.»
  • Die geplante Verkehrsinsel – im Dunkeln kaum sichtbar – werde nicht die Sicherheit erhöhen, sondern im Gegenteil zu Verkehrsunfällen führen.
  • Selz: Eine Untertunnelung des Zollikerbergs sei weder für Autos noch für die Forchbahn realistisch.
  • Ullmann: Es sei an der Zeit, dass der ZVV seinen Zonenplan überarbeite, es könne ja nicht sein, dass in unserem Einzugsgebiet direkte ÖV-Verbindungen von A nach B teurer seien als  Umwege.

Fazit: Was verkehrsmässig auf der Forchstrasse läuft, entscheidet letztlich der Kanton. Es wird über Jahre alles so bleiben, wie es ist.

Ideen sind willkommen

Wie der Schlussapplaus zeigte, bewährt sich das Format des Dialogabends. Die lockere Sitzordnung an Bistrotischchen und der unkomplizierte Austausch mit den Gemeinderäten wird geschätzt. Themen für den dritten Dialogabend können Interessierte ab sofort unter der Mailadresse kommunikation@zollikon.ch einspeisen. Nach dem dritten Abend will der Gemeinderat eine Bilanz ziehen und über die Fortführung entscheiden.

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