Das Dilemma mit den grossen Erwartungen

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6. Oktober 2025 – Ein letzter Sommerabend verführte uns zu einem Besuch der Grand’in Trattoria Pizzeria im Tennisclub Zumikon, einen Katzensprung von Zollikon entfernt. Vieles hat uns gefallen, aber es gibt ein paar Abstriche bei einem Restaurant, das preislich ziemlich weit oben mitspielt.

Tomatensalat mit Mozzarella (Fotos: ZN)
Tomatensalat mit Mozzarella (Fotos: ZN)

VON BARBARA LUKESCH

Unsere Erwartungen sind gross, gibt es doch einiges an Infos und Indizien, die uns verheissungsvoll stimmen. Bekannte sind des Lobes voll. Dazu lesen wir auf der Website der Grand’in Trattoria, dass der Küchenchef während zehn Jahren in leitender Funktion im Restaurant «Neue Forch» tätig war, einem Haus, das einen ausgezeichneten Ruf geniesst. Zusätzlich erfahren wir, dass es das zweite Unternehmen des Besitzerpaares, die Grand’in Osteria an der Forchstrasse 211 in Zürich, auf stolze 13 Gault Millau-Punkte bringt.

Taten statt Worte: wir reservieren einen Tisch an einem schönen Septemberabend. Beim Eintreffen an der Tobelmülistrasse 1 in Zumikon sind wir beeindruckt, wie gross und attraktiv sich die Anlage des Tennisclubs präsentiert. Dazu staunen wir, wie viele Menschen an einem gewöhnlichen Mittwochabend Tennis spielen und anschliessend die Trattoria besuchen. Die Parkplätze sind rappelvoll. Auf der Terrasse herrscht dichtes Gedränge, auch im Innenraum sind nur noch wenige Tische frei.

Als wir den Kellner begrüssen und ihm mitteilen, dass wir reserviert haben, erleidet unsere Vorfreude einen kleinen Dämpfer: er platziert uns an einem klassischen «Katzentisch», eher klein und dazu noch im Innenraum, wo der Lärmpegel bereits jetzt hoch ist. Dabei haben wir uns auf einen lauschigen Sommerabend im Freien gefreut, vielleicht einen der letzten dieser Saison. So weisen wir darauf hin, dass wir schon vor einigen Tagen reserviert hätten – in der Hoffnung auf einen Terrassenplatz. Seine Reaktion fällt schmallippig aus; immerhin organisiert er uns dann doch draussen einen Tisch. Wir sind happy und bedanken uns.

Als wir uns umschauen, wird schnell klar, dass die meisten Gäste eine Pizza verzehren. Wunderschöne Exemplare, kross gebacken, lecker belegt. Nach den vielen Pizzas in den Ferien entscheiden wir uns trotzdem für ein Fleisch- und ein Fischgericht: einmal Saltimbocca di vitello mit Pommes Frites (39 Franken) und einmal Dorade vom Grill mit Gemüse (44 Franken) Zur Vorspeise wählen wir einen kleinen Insalata Caprese (16 Fr.) und einen Fenchelsalat mit Orangen (15 Fr.).   

Der Caprese schmeckt toll. Sonnengereifte Datteltomaten umschliessen eine crèmige Mozzarella-Kugel, all das ruht auf einem diskreten Rucolabeet. Olivenöl und Balsamicoessig plus Gewürze können gemäss individuellen Vorlieben nachjustiert werden. Der türkise Teller, in dem alles serviert wird, ist ein echter Hingucker.

Der Fenchel-Orangen-Salat vermag nicht ganz so zu begeistern. Die Fenchelknolle ist zwar schön fein geschnitten, die vier Orangenrondellen liegen ebenfalls ordentlich drapiert auf dem Teller. Aber die Kombination bleibt trotz Nachwürzen fad. Kommt dazu, dass das weisse Gemüse auf einem weissen Teller serviert wird, was den blassen Eindruck verstärkt. Ja, das Auge isst tatsächlich mit.

Fenchel-Orangensalat: ein bisschen blass, ein bisschen fad
Fenchel-Orangensalat: ein bisschen blass, ein bisschen fad

Was wir nicht vergessen dürfen, sind die überaus köstlichen Mini-Brötchen aus Pizzateig, die zu den Salaten serviert werden. Wie sagte doch mein Vater immer, wenn er sich bei einem besonders leckeren Essen kaum zu zügeln vermochte: «Da könnte ich mich reinlegen!»

Zum Trinken wählen wir ein Glas Rosé, den Flower Power, der mit seinem fruchtigen Aroma perfekt zum Sommerabend passt. Mein Mann entscheidet sich für einen Roten, den Predappio Sangiovese, der allerdings so kalt serviert wird, dass er sein Glas zunächst eine Viertelstunde mit den Händen wärmen muss. Nachher mundet der Wein.

Der Kellner bleibt uns gegenüber reserviert. Als er noch zwei Gläser für das Mineralwasser nachreichen muss, landen die mit einem Knall auf unserem Tisch.

Wir konzentrieren uns lieber auf unsere Hauptspeisen: Meine Dorade ist gut. Fein ergänzt mit ein paar Kräutern und ein paar Tropfen Olivenöl, dazu die schön gegrillte Auswahl aus zweifarbigen Peperoni, Zucchetti und Auberginen. Eine leichte Speise für einen Sommerabend.

Mediterrane Kochkunst: Dorade und Gemüse vom Grill
Mediterrane Kochkunst: Dorade und Gemüse vom Grill

Der Teller meines Mannes, auf dem vier Kalbsschnitzel liegen, bestückt mit etwas Rohschinken und frischem Salbei, besticht zunächst einmal durch die schiere Grösse der Portion. Dabei fällt auf, dass es die Küche auch etwas zu gut gemeint hat mit der Sauce, in der das Fleisch mit dem Schinken schier unterzugehen droht. Mein Mann hätte es lieber etwas weniger üppig und dafür knuspriger gehabt. Seine Pommes Frites sind jedoch prima.

Saltimbocca: das Fleisch ertrinkt in der Sauce und der Schinken gleich mit
Saltimbocca: das Fleisch ertrinkt in der Sauce und der Schinken gleich mit

Inzwischen hat sich eine sehr freundliche Kellnerin unseres Tischs angenommen, uns noch mehr Pizzabrötchen angeboten, was wir schweren Herzens ablehnen (die Pfunde!), und eine Decke, die wir mit Freude annehmen, weil es zusehends kühler wird.

Zum Dessert teilen wir uns ein Tiramisu: klassisch gut, hübsch dekoriert mit einigen Himbeeren und einer Physalis, leider ohne den Zusatzkick, den ein paar kräftige Tropfen Amaretto, Rum oder Grand Marnier der Süssspeise zu geben vermögen.

Tiramisu: hübsch klassisch, aber ohne Kick
Tiramisu: hübsch klassisch, aber ohne Kick

Wir zahlen knapp 170 Franken. Unsere grossen Erwartungen wurden nicht ganz erfüllt. Das nächste Mal werden wir es mit einer Pizza versuchen.

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