«Mit Gewichtszunahmen kämpfen fast alle»

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25. November 2025 – Die Zolliker Gynäkologin Dominique Götze-Frank* berät viele Frauen, die über Beschwerden in der Menopause klagen. Das Thema wird derzeit breit diskutiert – was dazu beiträgt, dass Frauen sich selbstbewusster mit dieser Phase ihres Lebens befassen.

Dominique Götze-Frank in ihrer Praxis (Foto: ZN)
Dominique Götze-Frank in ihrer Praxis (Foto: ZN)

INTERVIEW: BARBARA LUKESCH

Frau Götze, die Menopause war bis anhin ein grosses Tabu, ähnlich wie die Menstruation. Was an diesen Phasen im Leben einer Frau ist so delikat, dass es vielen immer noch schwerfällt, offen darüber zu reden?

Lebensphasen, die mit grossen Veränderungen einhergehen, sind immer heikel, weil sie ja auch Angst machen können: Was kommt da auf mich zu? Wie werde ich damit zurechtkommen? Da herrscht viel Ungewissheit. Wenn die damit verbundenen Erfahrungen dann auch noch mit Sexualität und Fruchtbarkeit, Blut, Schweiss und vielleicht auch Schmerzen zu tun haben, können sich schnell einmal Schamgefühle entwickeln.

Seit einiger Zeit gibt es einen regelrechten Hype um die Menopause. Prominente Frauen erzählen von ihren Erlebnissen; Bücher landen auf vorderen Rängen der Bestsellerliste, wie zum Beispiel «Mittendrin», ein Schweizer Sachbuch, das sich dem Thema widmet. Die Stadtzürcher Fachstelle für Gleichstellung organisiert Vortragsabende dazu. Wie erklären Sie sich dieses boomende Interesse?

Viele Frauen sind beruflich sehr engagiert und werden mittlerweile eher später Mutter. Das sind intensive, anspruchsvolle Erfahrungen, beides kostet viel Energie und fällt zunehmend auch noch mit den beginnenden Wechseljahren von Anfang bis Mitte 40 zusammen, einer Phase, die man Perimenopause nennt. Da kommt es zu einer Kumulation verschiedener Anforderungen, die Frauen wirklich an ihre Grenzen treiben können. Um so grösser ist ihr Interesse an Informationen zur Meno- beziehungsweise Perimenopause, um diese Phase gut zu gestalten.  

Gleichzeitig trauen sie sich auch vermehrt, das Thema von sich aus anzuschneiden.

Die vielen Publikationen haben einen Schneeballeffekt: es dringt immer mehr ins Bewusstsein der einzelnen Frau, dass die Menopause ein ganz und gar natürlicher Prozess ist, der zum Leben aller Frauen gehört. Keine kommt darum herum, alle müssen sich früher oder später damit auseinandersetzen. Das erleichtert es mit Sicherheit, darüber zu reden.

Worüber wollen Ihre Patientinnen denn mit Ihnen reden?

Die Einen wollen in erster Linie Informationen über diese Lebensphase. Andere wollen über ihre Beschwerden reden. Es gibt viele Frauen, die in der Zeit der Wechseljahre unter Problemen wie starken Schweissausbrüchen, Herzrasen, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, depressiven Verstimmungen oder sogenanntem Brain Fog leiden, dem Gefühl, der Kopf sei völlig vernebelt. Das ist ein Phänomen, das bei vielen grosse Ängste schürt, weil sie meinen, es sei der Vorbote einer beginnenden Demenz. Das ist es glücklicherweise in der Regel nicht, aber es ist wichtig, die Frauen entsprechend aufzuklären.

Auch wenn die Menopause keine Krankheit ist, gibt es doch Frauen, die so stark unter Beschwerden leiden, dass sie sich krank fühlen.

Das ist so. Es gibt Studien, die zeigen, dass rund ein Fünftel der Frauen sogar ihr Arbeitspensum reduzieren, weil sie erschöpft sind und dadurch nicht mehr gleich leistungsfähig wie früher. Das sind dann schon Beschwerden, die absolut einen Krankheitswert haben.

Gibt es keine Mittel, um diese Beschwerden zu lindern?

Es gibt heute sehr viele Möglichkeiten, um den betroffenen Frauen zu helfen. Nicht allen, dessen bin ich mir bewusst, aber wirklich vielen. Diese sollten dann ihren Alltag durchaus wieder bewältigen können, und zwar mit einer hohen Lebensqualität. Das ist das Ziel.

Welches Vorgehen empfehlen Sie in Ihrer Praxis?

Zunächst einmal muss ich wissen, unter welchen Beschwerden eine Frau leidet. Dazu haben wir Fragebögen, die jede für sich ausfüllt. Wichtig ist auch, dass ich die Dringlichkeit des Problems richtig erfasse. Drängt eine Frau, die unter starken Schweissausbrüchen leidet und beruflich regelmässig mit Menschen zu tun hat, auf sofortige Verbesserung ihrer Situation, würde ich eher vorschlagen, es mit Hormonen zu versuchen als in anderen Fällen. In der Regel beginnen die Betroffenen mit pflanzlichen Präparaten wie der Traubensilberkerze oder probieren beispielsweise Akupunktur. Viele Frauen wollen einfach nicht sofort zu Hormonen greifen, weil sie sich sagen: «Ich schiesse doch nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen.»

Woher rührt die Skepsis gegenüber den Hormonen?

Um die Jahrtausendwende gab es grosse Studien, die die Hormone sehr kritisch beurteilten. Damals ist der Markt regelrecht eingebrochen, weil die Frauen auf der Stelle aufgehört haben, die Präparate, «das Teufelszeug», wie es damals hiess, weiter einzunehmen. Inzwischen hat sich die Situation wieder entspannt, langsam zwar, aber doch spürbar.

Die Skepsis ist trotzdem noch nicht ganz aus der Welt.

Das finde ich auch völlig in Ordnung. Wenn ich mit Patientinnen rede, die wirklich stark leiden und sich beruflich übermässig eingeschränkt fühlen, vermittle ich ihnen, dass ihr Entscheid für Hormone nicht in Stein gemeisselt ist. Es ist ja nicht so, dass sie nun bis zum St. Nimmerleinstag Hormone einnehmen sollen. Sie können ja zunächst einmal einen Versuch machen. Wichtig ist doch, dass ihre Lebensqualität in der aktuellen Situation wieder besser wird.

Wie verstehen Sie Ihre Rolle in diesen Beratungsgesprächen?

Meine persönliche Meinung ist unwichtig für den Entscheid, den eine Frau letztlich trifft. Ich präsentiere ihr die verschiedenen Optionen, anschliessend kann sie wählen. Klar sind Frauen im Vorteil, die schon gut informiert in die Sprechstunde kommen. Ein bisschen erschreckt reagiere ich, wenn Frauen sagen: «Da muss ich jetzt einfach durch.» Das finde ich schade und auch nicht mehr zeitgemäss.

Wem raten Sie, medizinisch begründet, von der Einnahme von Hormonen ab?

Es gibt Guidelines mit Empfehlungen für die Indikationen und Kontraindikationen der Hormontherapie. An diese halten wir uns. So dürfen beispielsweise Frauen, die eine Brusterkrankung hatten, keine Hormone bekommen.

Abgesehen von den körperlichen Beschwerden, die mit den Wechseljahren einhergehen, löst diese Phase im Leben einer Frau häufig auch Sorgen und Ängste aus, die mehr auf der psychologischen Ebene angesiedelt sind. Die gesellschaftlichen Bilder von der alternden Frau in der Menopause, die nicht mehr fruchtbar, nicht mehr sexy, nicht mehr attraktiv ist, geistern nach wie vor in vielen Köpfen herum.

Das spüre ich auch in meiner Praxis. Dieser Prozess kann sehr einschneidend sein. Da sind Frauen die letzten zehn Jahre auf der Überholspur durchs Leben gerast, haben Beruf und Familie gemanagt und sich kaum Zeit für ihre eigenen Bedürfnisse genommen. Und plötzlich sind sie 45, realisieren, dass ihre Haut nicht mehr so glatt wie mit 35 ist, merken, dass ihre Energie abnimmt und sie nicht mehr so gut mögen, dass sie zunehmen, egal, wie sehr sie sich dagegenstemmen. Damit haben fast alle zu kämpfen. Das ist ein Riesenthema, das viele belastet.

Verständlich, solange Frauen – aller Gleichstellung zum Trotz – nach wie vor stark über ihr Aussehen und ihren Körper definiert und bewertet werden.

Es kann tatsächlich eine sehr harte, schmerzliche Erfahrung sein, wenn einem mit der Menopause die Attraktivität als Frau abgesprochen wird. Zusätzlich verspüren viele Frauen einen deutlichen Rückgang der Libido, was sie dann als zusätzliche Beeinträchtigung empfinden.

Wie lässt sich das erklären?

Was sicher eine Rolle spielt, ist die mit der Menopause einhergehende generelle Abnahme des Östrogens, unseres wichtigsten Sexualhormons. Dadurch wird unter anderem die Scheidenschleimhaut dünner, gleichzeitig auch trockener und weniger dehnbar. Der Geschlechtsverkehr kann dann schmerzhaft werden, was auch nicht förderlich ist. In der Folge hat ein Paar noch weniger Sex, die Scheidenschleimhaut wird noch weniger beansprucht, sie verliert weiter an Elastizität und wird noch empfindlicher. Das kann sich eine Abwärtsspirale entwickeln.

Was kann man dagegen tun?

Lokal angewendetes Östrogen in Form eines Zäpfchens oder einer Crème wirkt gut. Aber die Libido und das Empfinden der Sexualität verändern sich im Laufe der Zeit bei fast allen Menschen. Da braucht es Geduld, oftmals auch ein klärendes Gespräch mit dem Partner. Das kann herausfordernd sein, aber auch befreiend und hilfreich.

Man darf ja nicht vergessen, dass es auch Frauen gibt, die auf das Ende ihrer Menstruation regelrecht warten und die Menopause freudig begrüssen.

Ich habe immer wieder Frauen, die sagen, sie hätten nichts dagegen, wenn sie jetzt endlich die letzte Blutung erleben würden. Sie sind froh, wenn die Menstruationsschmerzen aufhören und Schluss mit den Binden oder Tampons ist. Nicht wenige hoffen auch, dass sie eine neue Form von Sexualität erleben werden, weil die Verhütung überflüssig und alles unkomplizierter wird. 

*Dominique Götze-Frank, 52, führt seit 2010 in Zollikon ihre eigene Praxis für Gynäkologie und Geburtshilfe. Sie hat ihre praktische Ausbildung am Triemlispital in Zürich, in den Spitälern in Wetzikon ZH und fünf Jahre in Chur absolviert. Anschliessend war sie leitende Ärztin und zuletzt stellvertretende Chefärztin im Spital Uster. Sie ist verheiratet mit Florian Götze, dem Gründer und Leiter des Kinderwunschzentrums 360 Grad. Das Paar hat drei Söhne.

In Zollikon an der Alten Landstrasse 112 gibt es ein Gynäkologie- und Kinderwunschzentrum, in dem 9 Fachleute, davon 7 Frauen, praktizieren. Wir haben mit drei Ärztinnen über verschiedene Themen gesprochen: mit Dominique Götze-Frank über die Menopause (1/3), mit Isolde Tschurtschenthaler über den ersten Besuch bei der Gynäkologin (2/3) und mit Adriana Peric über Social Freezing, das Einfrieren eigener Eizellen (3/3)

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