Nächste Runde im Kampf um Tempo 30

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22. Mai 2025 – Der Gemeinderat hat mit Beschluss vom 9. April 2025 die Einführung von Tempo 30 auf der Bahnhofstrasse abgelehnt. Es gebe dafür weder Sicherheits- noch Lärmschutzgründe. Anwohner haben nun erneut dagegen rekurriert und erheben schwere Vorwürfe. (1 Kommentar)

22. Mai 2025 – Der Gemeinderat hat mit Beschluss vom 9. April 2025 die Einführung von Tempo 30 auf der Bahnhofstrasse abgelehnt. Es gebe dafür weder Sicherheits- noch Lärmschutzgründe. Anwohner haben nun erneut dagegen rekurriert und erheben schwere Vorwürfe.

Bahnhofstrasse: heute Tempo 50 – und morgen? (Fotos/Abb. ZN/Gis-Browser)
Bahnhofstrasse: heute Tempo 50 – und morgen? (Foto: ZN)

VON RENE STAUBLI

Den Rekurs hat ein Zürcher Anwaltsbüro im Namen von Urs Ledermann am 16. Mai beim Statthalteramt Meilen eingereicht. Der bekannte Immobilien-Unternehmer wohnt mit seiner Familie an der Bahnhofstrasse. Der Beschluss sei aufzuheben, heisst es im Schreiben, der Gemeinderat sei erneut «einzuladen, der kantonalen Sicherheitsdirektion einen Antrag auf Verfügung einer Tempo-30 Zone oder eines Tempo-30-Regimes auf der Bahnhofstrasse zwischen Seestrasse und Dufourplatz zu stellen». Zudem sei mit betroffenen Anwohnern ein Augenschein vor Ort durchzuführen.

Die Rekurrenten werfen dem Gemeinderat vor, mit seinem ablehnenden Beschluss «eine politisch motivierte, unkoordinierte und nicht haltbare Hauruckübung vorgenommen zu haben».

Der Konflikt schwelt seit 6 Jahren

Im Laufe der rechtlichen Auseinandersetzungen, die seit dem Sommer 2019 geführt werden, war der Gemeinderat vom Zürcher Verwaltungsgericht angehalten worden, den von Ledermann und rund 100 Anwohnern behaupteten Sicherheitsdefiziten konkret nachzugehen und nachvollziehbar darzulegen, weshalb er an der Bahnhofstrasse von einer genügenden Verkehrssicherheit ausgehe und eine Temporeduktion ablehne. Ausserdem habe die Gemeinde die Lärmsituation zu überprüfen.

Daraufhin erteilte die Gemeinde einer spezialisierten Fribourger Firma den Auftrag, eine «Road Safety Inspection» durchzuführen. Diese hielt in ihrem Bericht vom 26. September 2024 fest, dass das Unfallrisiko auf bestimmten Abschnitten der Bahnhofstrasse zwar hoch sei, aber durch Änderungen der Markierungen, Einhaltung der Sichtweiten und Zurückschneiden der Vegetation reduziert werden könne. Eine Gefährdung der Verkehrssicherheit liege auf dieser Strasse insgesamt nicht vor. Der Lärm überschreite die gesetzlichen Grenzwerte nicht. Eine Temporeduktion sei deshalb weder aus dem einen noch dem andern Grund erforderlich.

Die Fribourger Spezialisten hielten in ihrem Bericht allerdings auch fest, dass die gemachten Empfehlungen «nicht als formelles Gutachten betrachtet werden» können. Sie müssten zusätzlich durch Verkehrszählungen und Geschwindigkeitsmessungen validiert werden.

Der Gemeinderat liess Geschwindigkeitsmessungen durch die Zolliker Polizei vornehmen. Der höchste Wert lag beim 68 km/h. Bereits heute seien die meisten Fahrzeuge aber lediglich mit durchschnittlich 34 bis 37 km/h unterwegs, fasste der Gemeinderat die Resultate zusammen. Entsprechend sei nicht davon auszugehen, «dass sich die Verkehrssicherheit durch eine Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit von 50 auf 30 km/h überhaupt verbessern würde, weshalb eine solche auch aus diesem Grund nicht angezeigt ist».

Überdies sei mit negativen Auswirkungen auf den öffentlichen Verkehr zu rechnen, der durch Tempo 30 aufgehalten werde. Private AutolenkerInnen würden auf Schleichwege ausweichen, so eine weitere Besorgnis.

Einseitige Messungen

Die Rekurrenten üben Kritik am Vorgehen von Gemeinderat und Polizei. Man habe die Messungen gemäss den vorliegenden Protokollen einzig vormittags und nach der Rush Hour vorgenommen. Von sorgfältigen Abklärungen zu verschiedenen Tageszeiten könne keine Rede sein. Auch habe man an Standorten vor und nach Kurven gemessen, «wo Fahrzeuge einsichtigerweise mit reduziertem Tempo fahren».

Für die Messungen seien «offensichtlich bewusst» Tage mit reduziertem Verkehrsaufkommen gewählt worden: 26. März 2024, 8.07 bis 9.31 Uhr (in der Osterwoche), 15. April, 10.00 bis 11.02 Uhr (am Sechseläuten), 26. April, 9.58 bis 11.21 Uhr (während der Frühlingsferien), 2. August, 7.54 bis 8.57 Uhr (Brückentag zwischen 1. August und Wochenende), 3. Januar 2025, 7.59 bis 10.28 Uhr (Brückentag, in den Weihnachtsferien).

Dieses Vorgehen wirke «geradezu mutwillig». Dem Gemeinderat sei es «mit seiner Polizei offensichtlich einzig darum gegangen, ein möglichst vorteilhaftes – und kein möglichst aussagekräftiges – Bild zu zeichnen».

Halbierter Verkehrslärm dank Tempo 30

Was den Lärm angehe, so könne man nicht einfach von weiteren Massnahmen absehen, nur weil die Lärmgrenzwerte nicht überschritten werden, schreiben die Rekurrenten. Das Bundesgesetz über den Umweltschutz verlange vielmehr, dass im Rahmen der Vorsorge Emissionen unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung soweit begrenzt werden müssen, wie das «technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar» sei.

Mit Tempo 30 könnte eine «sehr deutliche Reduktion des Lärms auf der Bahnhofstrasse erreicht werden», räumen auch die Fribourger Spezialisten in ihrem Bericht ein. Der Effekt einer solchen Reduktion wäre vergleichbar mit einer Halbierung des Verkehrs bei Tempo 50.

Die Rekurrenten kritisieren im weiteren, dass sich der Gemeinderat beim Thema Unfälle wie in der erstinstanzlichen Runde «erneut mit pauschalen Ausführungen» begnüge. Es lasse sich «nicht ernsthaft behaupten, dass ein Tempo-30-Regime ungeeignet sei, die Unfallzahlen zu senken und das Risiko von Personen- und Sachschäden empfindlich zu mindern». Man dürfe nicht erst dann handeln, «wenn Tote zu beklagen sind», sondern müsse es schon dann tun, «wenn es immer wieder zu Unfällen kommt». Mit ihrer heutigen Ausgestaltung und ihrem heutigen Temporegime sei die Bahnhofstrasse «grundsätzlich gefährlich bzw. überdurchschnittlich unfallträchtig».

Bahnhofstrasse: vom See Richtung Dufourplatz
Bahnhofstrasse: vom See Richtung Dufourplatz

Der ÖV würde nicht behindert

Gemäss den Rekurrenten haben die VBZ dem Gemeinderat schon im Juli 2020 mitgeteilt, dass mit der Verlängerung der Linie 910 nach Maur auch bei Tempo 30 alle Anschlüsse an die S-Bahnen «zuverlässig gewährleistet werden» könnten. Das Argument mit den verspäteten Bussen sei folglich ebenfalls nicht stichhaltig. Vielmehr sei nebst der technischen Möglichkeit und der wirtschaftlichen Tragbarkeit «auch die betriebliche Möglichkeit eines Tempo-30-Regimes als umwelt- bzw. lärmrechtliche Vorsorgemassnahme ohne weiteres gegeben».

Stellungnahme der VBZ zu möglichen Verspätungen wegen Tempo 30
Die VBZ zu möglichen Verspätungen wegen Tempo 30

Nicht stichhaltig sei auch das Argument mit dem Ausweichverkehr. Geeignetere Wege von und zum See seien «nicht auszumachen». Die vom Gemeinderat angeführte Schleichweg-Problematik sei «eine bloss vorgeschobene».

Zusammenfassend schreiben die Rekurrenten, es stehe «nicht im Belieben des Gemeinderats, zahlreichen Anwohnerinnen und Anwohnern einer Gemeindestrasse in Verletzung des umweltrechtlichen Vorsorgeprinzips einen angezeigten und möglichen sowie sehr wirksamen Lärmschutz zu versagen». Und «angesichts der Tatsache, dass sich entlang der Bahnhofstrasse ausschliesslich Wohnhäuser mit zum Teil kleinen Kindern als (Mit-) Bewohnern finden», sei es «geradezu sträflich, die Strasse in ihrer bestehenden Form zu belassen». Sie leiste mit ihrer Überbreite einer unangemessenen Fahrweise Vorschub.

Bei der Bahnhofstrasse handle es sich um eine Quartierstrasse, heisst es abschliessend im Rekurs. Diese sei von der Gemeinde auch als solche zu behandeln. Ein Augenschein vor Ort mit betroffenen Anwohnern würde dem Gemeinderat «ein aussagekräftiges Bild von der Situation verschaffen».

Der Ball liegt nun wieder beim Statthalteramt Meilen. Die Auseinandersetzung um Tempo 30 auf der Bahnhofstrasse geht in die nächste Runde.

Urs Ledermann setzt sich für generelles Tempo 30 auf Zolliker Strassen ein: «Unsere Gemeinde wäre damit überall viel besser bedient, und es könnten viele Probleme gelöst werden.» Siehe auch Artikel vom 22. Januar 2025: «Tempo 30 und die politische Realität»

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1 KOMMENTAR

Eigentlich komisch, die Forderung für Tempo 30 auf der Bahnhofstrasse. Wenn man sieht welche Automobile in den grossen Garagen stehen, Mercedes natürlich von AMG , mit min. 500 Pferdestärken und offenen Abgasrohren. Aber bitte kein Lärm und Tempo vor der Haustüre, ein Hohn!

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