«Niemand wird einfach vor die Türe gestellt»

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17. Oktober 2025 – Das bei Massenkündigungen vorgeschriebene Konsultationsverfahren hat nichts an den Plänen der Stiftung Diakoniewerk Neumünster geändert: das Wohn- und Pflegeheim Magnolia wird geschlossen. War das Konsultationsverfahren nur eine Alibiübung?

Wohn- und Pflegeheim Magnolia (Fotos: ZN)
Wohn- und Pflegeheim Magnolia (Fotos: ZN)

VON RENE STAUBLI

Diese Woche wurden Gespräche mit Mitarbeitenden geführt, weitere werden folgen. Die Frage, wie viel Rücksicht man auf Angestellte nehme, die seit mehr als 20 Jahren im Magnolia arbeiten, beantwortet die Kommunikationschefin Annika Perrozzi unverbindlich: wo möglich, biete man interne Optionen für eine Weiterbeschäftigung an; man habe zudem «eine Reihe von Abfederungsmassnahmen erarbeitet». Genaue Zahlen zu den Entlassungen gebe es aber noch nicht, weil die Mitarbeitenden auch selbst entscheiden, ob sie bei der Diakonie Neumünster bleiben wollen oder nicht. Stand heute gehe man davon aus, dass 30 bis 40 Angestellten gekündigt werden müsse.

Von den rund 45 Bewohnerinnen und Bewohnern im Magnolia hätten inzwischen «knapp zwei Drittel neue Pflegeplätze gefunden, teils im Blumenrain, teils im Zumipark, teils in anderen Institutionen. Bereits einige Tage nach Bekanntgabe der Schliessungsabsicht hätten benachbarte Pflegeheime rund 50 freie Betten gemeldet, «alle im Umkreis von rund 10 bis 15 Fahrminuten». Aufgrund der Rückmeldungen sei man zuversichtlich, «für alle Bewohnerinnen und Bewohner neue Plätze zu finden».

Das Konsultationsverfahren – eine Alibiübung?

Bei der Suche biete man eine umfassende Beratung und Unterstützung an: «Unter anderem begleiten wir beispielsweise Bewohnerinnen und Bewohner bei Besuchen in anderen Pflegeheimen.» Auf Grund der Erfahrungen in den letzten Wochen sei die Wahrscheinlichkeit «sehr hoch, dass bis Ende Jahr alle ein gutes neues Zuhause finden werden». Niemand werde Ende Jahr «einfach vor die Türe gestellt».

Von aussen gesehen schien das Konsultationsverfahren, das bei Massenkündigungen gesetzlich vorgeschrieben ist, eine reine Alibiübung zu sein. Perrozzi bestreitet das. Allerdings seien vom Personal nur sehr wenige Vorschläge zur Vermeidung von Kündigungen und deren Folgen eingegangen. Diese seien von den Verantwortlichen teilweise bereits vorher geprüft und verworfen worden oder aus regulatorischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht umsetzbar gewesen.

Hektik löste Unverständnis aus

In der Öffentlichkeit stiess die Ankündigung der kurzfristigen Schliessung auf Unverständnis. Die Absicht, das Heim innert vier Monaten zu räumen, löste bei Betroffenen Bestürzung und Verzweiflung aus. Angehörige verlangten subito Pflegeberichte, um in andern Institutionen Plätze suchen zu können. Warum diese Hetze?

Man habe sich an Erfahrungen angelehnt, wie sie bei der Schliessung eines anderen Heims gemacht worden seien, sagt Perrozzi. Für die Bewohnerinnen und Bewohner sei es keine gute Situation, wenn sich die Phase der Schliessung zu lange hinziehe: «Sobald jemand einen neuen Platz gefunden hat, zieht er oder sie aus bzw. um und hinterlässt eine Lücke – es wird immer weniger Mitbewohnerinnen und Mitbewohner, Austausch, Gesellschaft und Gespräche geben. Das ist weder für die Bewohnerinnen und Bewohner noch für die Mitarbeitenden ein gutes Umfeld.»

Ein strategischer Entscheid?

Angesichts der Kurzfristigkeit kam der Verdacht auf, dass bei der Schliessung nicht nur wirtschaftliche Gründe eine Rolle spielten, sondern auch strategische. Das Spital Zollikerberg hatte am 14. März 2025 beim Kanton den Antrag für den Betrieb einer Kinderklinik mit Notfallstation, Kinderanästhesie und Kurzaufenthaltseinheit gestellt. Man wollte die neue Dienstleistung bereits 2026 anbieten, also innert Monaten. Der Kanton lehnte das Ansinnen im Juli ab und später auch das Wiedererwägungsgesuch. Kurz danach, am 1. September, wurde der Schliessungsentscheid für das Magnolia bekannt gegeben. Wollte man die Kinder-Notfallklinik im Haus Magnolia einrichten?

Perrozzi verneint. Es bestehe «keinerlei Zusammenhang» mit den Plänen für die Kinderklinik. Diese wäre nicht im Magnolia, sondern im bestehenden Spitalgebäude eingerichtet worden. Die Schliessung des Wohn- und Pflegeheims sei einzig und allein das Ergebnis einer langen und intensiven Auseinandersetzung mit den realen Herausforderungen im Bereich der stationären Langzeitpflege. Trotz Massnahmen, wie etwa der Reduktion der Anzahl Pflegebetten, habe man die grossen wirtschaftlichen Probleme des Magnolia nicht nachhaltig lösen können. «Hinzu kommt, dass langfristig ein teurer Neubau notwendig wäre, da sich die Anforderungen an ein modernes Pflegeheim geändert haben», sagt Perrozzi.

Versprechen kann nicht eingehalten werden

Wie geht die Stiftung damit um, dass sie gegenüber den MieterInnen in der benachbarten Residenz Neumünster das abgegebene Versprechen auf Sicherheit im Alter nicht einhalten kann? In den Unterlagen ist schriftlich festgehalten: «Wer eine Wohnung bezieht, kann jederzeit Hilfe in allen Belangen erhalten. Bei Bedarf einer umfassenden Pflege steht das Wohn- und Pflegehaus Magnolia den Bewohnerinnen und Bewohnern zur Verfügung.»

Residenz Neumünster
Residenz Neumünster

Die Langzeitpflege von älteren Menschen sei zwar ein Stiftungszweck, räumt Perrozzi ein, «aber nicht explizit die stationäre Langzeitpflege, bei der wir in unserer Region tendenziell eine Überversorgung beobachten». Man werde die Angebote der eigenen Altersresidenzen und auch die Dienstleistungen für Menschen am Lebensende in Zusammenarbeit mit den anderen Betrieben der Stiftung «bedarfsgerecht weiterentwickeln und unsere Ressourcen dort investieren, wo wir Versorgungslücken füllen oder bestehende Angebote zukunftsorientiert weiterentwickeln können».

Was  mit den Räumlichkeiten des Magnolia im neuen Jahr geschieht, ist noch nicht entschieden. Die Stiftung prüft «verschiedene Nutzungsoptionen».

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