Wer beschützt das Haus «Hinter Zünen»?

0 KOMMENTARE

12. Dezember 2025 – Das wunderbare Haus «Hinter Zünen» Nr. 8 ist Zollikons ältestes Gebäude mit einer Geschichte, die bis ins Mittelalter reicht. Das Haus steht ab Ende Jahr leer, das Dach leckt. Wenn niemand eingreift, drohen dem denkmalgeschützten Gebäude irreparable Schäden.

«Hinter Zünen» heute mit absterbender Birke im Hintergrund (Fotos: ZN, Adrian Michael, zvg)
«Hinter Zünen» heute mit absterbender Birke im Hintergrund (Fotos: ZN, Adrian Michael, zvg)

VON RENE STAUBLI

Seit 3 Jahren gehört das Haus «Hinter Zünen» Nr. 8 der Chamer Firma Liel AG, hinter der der Zürcher Unternehmer Blerim Rexhepi steht. Er wollte das denkmalgeschützte Haus für seine beiden Kinder renovieren. Doch die Vorgaben seien so komplex und mühsam gewesen, dass er das Vorhaben aufgegeben habe und das Haus weitergeben wolle – «zum Kaufpreis», sagt Rexhepi, «mir ist es nie darum gegangen, einen Gewinn zu erzielen».

Zuvor hatte «Hinter Zünen» dem Zolliker Immobilien-Unternehmer Urs Ledermann gehört, der es 2015 der Familie Kalff im Zuge einer Erbteilung abgekauft hatte, weil er in der Nachbarschaft aufgewachsen war und Haus stets bewundert hatte. Ledermann erwarb auch das benachbarte Haus Nr. 6. Es gab Pläne, zusammen mit einer Zolliker Baugenossenschaft Wohnungen für Jung und Alt zu erstellen. Als sie sich zerschlugen, beauftragte Ledermann einen professionellen Makler mit dem Verkauf. «Hinter Zünen» Nr. 8 ging an Rexhepi, die Nr. 6 an einen Unternehmer aus Herrliberg.

Ledermann garantierte jedoch den Bewohnern Sabine und Martin Kalff ein zehnjähriges Wohnrecht, das Ende Jahr abläuft. Die beiden sind bereits nach Zürich gezogen, sie übergeben «Hinter Zünen» auf Ende Jahr dem Besitzer.

Das Haus hat eine bemerkenswerte Geschichte: Die Psychologin und Pianistin Dora Kalff kaufte es 1950 und machte «Hinter Zünen» zu einem Treffpunkt namhafter Künstler und Wissenschaftler sowie zu einem Zentrum der Sandspieltherapie und des Buddhismus. In den Gästebüchern stehen die Namen des Psychiaters Carl Gustav Jung, des Musikers Yehudi Menuhin, des Schriftstellers Max Frisch und des Dalai Lama, der 1979 mit damals noch bescheidenem Gefolge hier abstieg. Dora Kalff war eine direkte Schülerin von C. G. Jung. Sie entwickelte in «Hinter Zünen» die Sandspieltherapie. Nach ihrem Tod 1990 führte Martin Kalff, Religionswissenschaftler und Tibetologe, die Arbeit seiner Mutter weiter.

Langsamer Zerfall

In den letzten 10 Jahren wurden am Gebäude keine Renovationen mehr durchgeführt, sondern nur noch die nötigsten Unterhaltsarbeiten. «Die Gefahr ist akut, dass das Haus verkommt, wenn es länger leer stehen sollte und unbeheizt wäre», fürchtet Sabine Kalff.

Besorgte Nachbarn wandten sich an Martin Killias, den Präsidenten des Schweizer Heimatschutzes und legten Fotos bei, die belegen, dass es im Dach mit den Balken, von denen einige im Winter 1547/48 geschlagen wurden, mehr als ein Dutzend undichte Stellen gibt. Die Holzkonstruktion sei teilweise bereits stark geschädigt, und es laufe Wasser in die Zwischenböden. Ziegel seien aus dem Dach gerutscht, zudem bestehe die Gefahr, dass die absterbende grosse Birke auf das Hausdach falle und es weiter beschädige – ein Teil sei bereits abgebrochen, auf den Gehweg, auf dem glücklicherweise niemand unterwegs war.

Nichts Gutes von oben: gespaltene Ziegel, Wasser im Gebälk
Nichts Gutes von oben: gespaltene Ziegel, Wasser im Gebälk

Anfang September wandte sich Sabine Kalff mit einem Schreiben an die Zolliker Gemeinderäte. Es sei ihr «ein grosses Anliegen, wenn die Gemeinde in den Besitz dieses Hauses käme». Das sei auch der Wunsch von Nachbarn und anderen Gemeindemitgliedern. Viele historische Details seien im Haus noch vorhanden: «ein stattlicher Bleuler-Kachelofen, ein eingebautes Kirschbaumbuffet mit alter Pendeluhr, historische Türen, Schlösser, Gebälk und Böden». Der Gemeinde biete sich «eine einmalige Gelegenheit», dieses wertvolle Kulturgut zu erhalten.

Laut Gemeinderat Patrick Dümmler kam es zu Gesprächen mit dem Besitzer Rexhepi. Es habe auch eine Begehung vor Ort stattgefunden. Der Gemeinderat sei jedoch zum Schluss gekommen, dass «Hinter Zünen» nicht ins Immobilien-Portfolio der Gemeinde passe. Zwar habe die Gemeinde ringsum eigenen Landbesitz, aber weil man das denkmalgeschützte Haus nicht verändern dürfe, könne man kein flächenübergreifendes Projekt realisieren und somit keinen Mehrwert erzielen.

Auch der Kauf und die Nutzung von «Hinter Zünen» für die Öffentlichkeit sei keine Option, sagt Dümmler, weil das Haus nur mit grossen Investitionen so hergerichtet werden könnte, dass die gesetzlichen Vorgaben wie das Behinderten-Gleichstellungsgesetz eingehalten würden. Zudem gebe es aktuell keinen Bedarf nach zusätzlichen kulturell nutzbaren Räumen: «Wir konzentrieren uns auf unser Projekt mit der Villa Meier-Severini am Dufourplatz.»

Renovationen kosten

Rexhepi hatte das Haus für rund 2,5 Millionen Franken von der Ledermann Immobilien AG gekauft. Experten gehen davon aus, dass eine Renovation mindestens weitere 3 Millionen verschlingen würde. Die Gesamtinvestition für einen Käufer beliefe sich damit auf 6 Millionen.

Was die Sanierung von denkmalgeschützten Gebäuden aus dem 16. Jahrhundert bedeutet, erfuhr der Zolliker Architekt Markus Moser, als er 2010 mit einem Geschäftspartner die marode Häusergruppe an der Gstadstrasse kaufte und renovierte. Die Arbeiten dauerten bis ins Jahr 2024. «Wir sind vom Hundertsten ins Tausendste gekommen», sagt der Architekt. Jede Wand, jedes Geländer, jede Treppe und jeder Winkel habe Überraschungen bereit gehalten. Immer wieder seien Probleme aufgetaucht, für die man kreative Lösungen suchen musste. Die Gesamtkosten beliefen sich letztlich auf rund 8 Millionen Franken.

Renovierte Häuser an der Gstadstrasse: Überraschungen in jedem Winkel
Renovierte Häuser an der Gstadstrasse: Überraschungen in jedem Winkel

Die Verpflichtung der Gemeinden

Der Denkmal- und Heimatschutz spielt bei solchen Projekten eine zwiespältige Rolle: zum einen bemüht er sich um den Schutz «seiner» Häuser, zum andern schreckt er potentielle Käufer mit seinen teils rigiden, kostentreibenden Vorgaben ab. Was «Hinter Zünen» betrifft, macht sich Heimatschutz-Präsident Martin Killias vor allem Sorgen, dass bislang keine Massnahmen zum kurzfristigen Schutz der Liegenschaft in die Wege geleitet worden sind. Die Gemeinden seien gemäss Artikel 204, Absatz 1 des Planungs- und Baugesetzes PBG dazu verpflichtet. Der Paragraph hält die Gemeinden an, «dafür zu sorgen, dass Schutzobjekte geschont und, wo das öffentliche Interesse an diesen überwiegt, ungeschmälert erhalten bleiben». Dies gelte freilich nur für Gebäude im Besitz der Gemeinde, relativiert Liegenschaften-Vorstand Dümmler.

Dennoch: Gibt es nicht ein öffentliches Interesse am Erhalt von «Hinter Zünen»? Müsste die Gemeinde nicht Schutzmassnahmen ergreifen, wenn der aktuelle Besitzer das Haus länger leer stehen lassen sollte? Könnte sie die absterbende grosse Birke fällen, die auf das Dach zu stürzen droht? Und müsste sie nicht dafür sorgen, dass das Haus über den Winter einigermassen temperiert bleibt, um Schäden am einmaligen Inventar und der Bausubstanz zu vermeiden? Immerhin geht es um die Erhaltung von wertvollem Zolliker Kulturgut.

Gemeinderat Dümmler sagt, man kläre ab, ob das Gebäude durch die Birke beschädigt werden könnte und werde entsprechend handeln. Mit dem Eigentümer sei man in Kontakt, um sich über die unterschiedlichen Interessen und die weiteren Schritte auszutauschen. Er verspricht, dass die Gemeinde nach Absprache mit der kantonalen Denkmalpflege ein Dossier erstellen werde, so dass diese allenfalls einschreiten könne: «Einen Verfall des Gebäudes versuchen wir damit abzuwenden.»

«Dringender wären vermutlich sichernde Massnahmen», sagt Heimatschutz-Präsident Killias. Er habe gerade mit zwei anderen Fällen zu tun, bei welchen trotz des sehr bedrohlichen Zustands «zu lange an der gutachterlichen Beurteilung der Schutzwürdigkeit herumgedoktert wurde – mit der Folge, dass die Gebäude inzwischen eingestürzt sind». Zumindest müsste man «das eine tun und das andere nicht lassen».

Eine Vision – mehr nicht

Ins Gespräch kam auch die Stiftung «Ferien im Baudenkmal», die an einer Nutzung von «Hinter Zünen» interessiert wäre. Ihr Geschäftszweck ist die Rettung «schweizweit bauhistorisch wertvoller Häuser vor Abbruch, Verfall oder Leerstand, um sie als identitätsstiftende Zeitzeugen regionaler Baukultur zu bewahren». Daraus sollen «einzigartige Ferienunterkünfte» werden, «in denen die regionale Architektur und Geschichte erlebt werden können».

Gewiss eine tolle Vision für «Hinter Zünen» und auch für die Gemeinde: ein geschichtsträchtiges Hotel nahe der Stadt, mehr Betrieb im eigenen Dorf und eine touristische Einrichtung, die es in die Reiseführer schaffen könnte. Leider sieht sich die Stiftung nicht in der Lage, solche Objekte aus eigenen Mitteln zu kaufen. Sie steigt erst ein, wenn sie saniert sind, um sie dann zu betreiben und zu unterhalten.

Das Turmzimmer, auch «Rittersaal» genannt
Das Turmzimmer, auch «Rittersaal» genannt

Der Unternehmer Rexhepi will «Hinter Zünen» im Januar zusammen mit einem Architekten inspizieren und abklären, wie es weitergehen könnte. Einen Kaufinteressenten habe er noch nicht gefunden, eine Vermietung schliesse er nicht grundsätzlich aus.

Damit stehen zwei offene Fragen im Raum:  Wer beschützt das Haus «Hinter Zünen»? Und wer erweckt es zu neuem Leben?

29.04.22: «Hinter Zünen»: ein Zolliker Haus aus dem Mittelalter

Wenn Sie unseren wöchentlichen Gratis-Newsletter erhalten möchten, können Sie sich gerne hier anmelden. Sie können diesen Artikel auch gerne in Ihrem Netzwerk teilen:

WIR FREUEN UNS ÜBER IHREN KOMMENTAR

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

14 + 13 =

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht