«Wo Corinne draufsteht, ist auch Corinne drin»

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3. Oktober 2025 – Warum kandidiert sie nicht als Gemeindepräsidentin? Welche Erinnerungen hat sie an ihre Zeit als Schulpräsidentin? Was hätte sie beim Krisenmanagement in der Schule Rüterwis anders gemacht? Das Publikum erlebte im «Talk am Puls» einen angeregten Abend.

Corinne Hoss-Blatter und Barbara Lukesch (Foto/Video: ZN)
Corinne Hoss-Blatter und Barbara Lukesch (Foto/Video: ZN)

VON RENE STAUBLI

Dass Corinne Hoss-Blatter als Talk-Gast auf breites Interesse stösst, sah man nur schon daran, dass zwei Gemeinderäte mit im Publikum sassen: Finanzvorsteherin Sylvie Sieger und Liegenschaftenvorsteher Patrick Dümmler.

Nach der Begrüssung durch Pfarrer Simon Gebs eröffnete Barbara Lukesch das Gespräch mit einer Frage, die in Dorf und Berg offenkundig viele beschäftigt: warum sie angesichts ihrer breiten Fanbasis nicht als Gemeindepräsidentin kandidiere? Es hätte sie «wahnsinnig gereizt», räumte Hoss-Blatter ein, aber es gebe inzwischen andere Prioritäten in ihrem Leben:

Highlights und Tiefpunkte

Natürlich waren ihre 16 Jahre in der Schulpflege, davon 8 Jahre als Präsidentin, ein zentrales Thema des angeregten Abends. Das Publikum erfuhr, dass sie damals für den Einkauf nicht mehr in die Migros gegangen sei. «Nähe zu den Menschen ist wichtig und gut», konstatierte, sie, aber wenn man dauernd «zwischen Zucker und Mehl» darauf angesprochen werde, was in der Schule gut und weniger gut laufe, könne das schon zur Belastung werden. Ganz zu schweigen von ungenierten Anrufen am Sonntagabend um 21 Uhr. Ein Stück weit sei sie natürlich auch selber schuld daran gewesen, denn sie habe die «24/7»-Erreichbarkeitsregel propagiert und ernst genommen.

Was die grössten Highlights und Tiefpunkte ihrer Zeit als Schulpräsidentin angehe, so erinnere sie sich besonders gerne an die Eröffnung der Musikschule im Zollikerberg. Und weniger gerne daran, dass das Projekt Betreuungshaus Rüterwis in ihrer Amtszeit gescheitert sei – «angesichts der überrissenen Forderungen der Architekten mussten wir die Reissleine ziehen, auch wenn man aus heutiger Sicht sagen könnte, es wäre vielleicht besser gewesen, das Projekt zu realisieren, denn dann hätten wir jetzt ein Betreuungshaus».

Barbara Lukesch knüpfte bei der Schule Rüterwis an und fragte ihre Gesprächspartnerin, was sie beim Management der Krise mit dem Abgang einer grossen Zahl von Lehrpersonen und den Elternprotesten anders gemacht hätte. Natürlich antwortete Hoss-Blatter als gewiefte Politikerin zurückhaltend, gab dann aber doch ein deutliches Statement ab: «Ich wäre als Präsidentin sofort in die Schule gegangen und hätte mich bei allen Beteiligten erkundigt, was da schiefläuft.»

Eine geborene Lehrerin

Hoss-Blatter wuchs in einem Lehrerhaushalt auf, erfuhr das Publikum. Es sei für sie immer klar gewesen, dass auch sie Lehrerin werden wollte. In Singapur arbeitete sie fünf Jahre lang als Fremdsprachenlehrerin, nach der Rückkehr in die Schweiz in Zürich an einer Privatschule.

Auch im Kantonsrat träten ihre Lehrerinnen-Gene ab und an zutage, verriet sie. Etwa an einer Sitzung, an der von den 15 Anwesenden nur 3 ihre Hausaufgaben gemacht hatten, «der Rest übte sich in betretenem Schweigen – da bin ich laut geworden».

Der Kantonsrat sei für sie eine logische Stufe nach dem Schulpräsidium und dem Zolliker Gemeinderat gewesen. Sie habe aber feststellen müssen, dass die Exekutive deutlich spannender sei als die Legislative. Die Arbeit im Kantonsrat sei «zäh und langsam – das entspricht mir nicht». Auch wenn die Breite der Geschäfte natürlich interessant sei: «von der Tierseuche bis zum Lehrmittelverlag». Mit Interesse vernahm man von ihr den nebenbei geäusserten Satz: «Ich wäre vermutlich besser in der Gemeinde geblieben.»

Heute betätigt sich Hoss-Blatter auf einem breiten Feld: Mitglied der Zolliker Sozialbehörde («es gab in der FDP grad niemanden, der sich dafür interessierte, da habe ich es halt gemacht»), Co-Präsidentin der Sozialkonferenz des Kantons Zürich, der Aufsicht über alle Behörden, die mit dem Sozialwesen zu tun haben, Mitglied der Schulkommission der Berufsmaturitätsschule Zürich BMZ, Präsidentin der Schulkommission Kantonale Maturitätsschule für Erwachsene KME und Stiftungsrätin der Juventus Schulen.

Barbara Lukesch sprach die Tatsache an, dass man in der Gemeinde erstaunlich wenig Notiz von der Arbeit der eigenen Kantonsrätin nehme. Als die Diskussionen über die geplante Errichtung einer Abfalldeponie im Zollikerberg hochkochten, sei es jedenfalls niemandem in den Sinn gekommen, sie einzubinden. Als die «ZollikerNews» dies unter dem Titel «Die Unterlassungssünde» thematisierten, geriet die Kantonsrätin in einen regelrechten Shitstorm.

Sie habe dem Gemeinderat damals angeboten, bei Bedarf mitzuhelfen und ihr Beziehungsnetz zu aktivieren, das bis zum zuständigen Regierungsrat Martin Neukom und wichtigen Kommissionsmitgliedern reiche, «aber wenn man mich nicht fragt, dann lässt man es eben sein». Natürlich habe sie die Kritik getroffen – «ich bin nicht aus Teflon» – aber man müsse es als Politikerin aushalten, «wenn jemand findet, dieser (kleine Pause) Zwetschge sollte man einmal eins auf den Deckel geben».

Fest an der Seite der FDP

Zollikon sei nach Einschätzung vieler eine Gemeinde, die seit 20 Jahren mehr oder weniger stehen geblieben sei, stellte Barbara Lukesch fest: «Keine Fortschritte bei der Gestaltung des Beugi-Areals, kein attraktiver Dorfplatz, keine Lösung für das Altersheim am See, noch immer kein Plan für die Neugestaltung des Zentrums Zollikerberg – und das alles unter der Alleinherrschaft der FDP». Wie sie denn den Leistungsausweis ihrer Partei beurteile?

Da trat Hoss-Blatters Solidarität mit dem eigenen Lager deutlich zutage. Die FDP habe damals einen guten Vorschlag zur Gestaltung des Beugi-Areals gemacht, sei aber überstimmt worden, verteidigte sie ihre Partei. Die FDP übernehme in Zollikon seit vielen Jahren Verantwortung und stelle das entsprechende Personal. Sie selber habe nie Zweifel gehabt, wohin sie politisch gehöre: «Mein Vater trat schon mit 16 Jahren der FDP bei und war 70 Jahre lang Mitglied. Es war für mich stets klar, dass wir freisinnig sind – was für mich übrigens ein schöner Begriff ist.» Die Aufgabe der Partei sei es, «nicht zu überborden mit Fohrbach-Bauten» und nicht überall «goldene Wasserhähne» zu planen. Am Herzen liege ihr auch das Erscheinungsbild der Gemeinde: «Dass an der Höhenstrasse immer mehr schöne alte Häuser verschwinden und gleichförmigen Terrassenhäusern Platz machen müssen, finde ich schade.»

Im Verlauf des Abends erfuhr das Publikum von ihr auch, warum sie 1987 aus der reformierten Kirche ausgetreten war («die Kirche weigerte sich in den Zeiten von Aids, Eltern Gottesdienste zum Thema zu erlauben»), warum sie heute fast 20 Kilogramm leichter ist als vor drei Jahren («ich esse weniger, was nicht immer einfach ist, weil man als Politikerin dauernd an Apéros teilnehmen muss, bei denen es über Mittag Sandwiches gibt, die den Hunger nicht stillen») und dass sie angesichts der doch begrenzten Anzahl Lebensjahre, die noch vor ihr liegen, eine Liste mit Dingen habe, die sie noch gerne sehen und erleben möchte (Reisen nach Japan und Alaska, mehr Kino-, Opern-, Openair- und Ausstellungsbesuche, auch mal wieder ins Schauspielhaus).

Am Ende des Talks zog Gastgeber Gebs ein treffendes Fazit: «Wo Corinne draufsteht, ist auch Corinne drin.»

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