Zollikon landet am meisten Treffer
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Balz Spörri: «Zollikon ist nicht Cambridge und auch nicht Oxford. Trotzdem taucht es regelmässig in wissenschaftlichen Studien auf. Gibt man ‹Zollikon› in der Suchmaschine ‹Google Scholar› ein, erhält man allein für das laufende Jahr über 368 Treffer.»

VON BALZ SPÖRRI
Zollikon ist nicht Cambridge und auch nicht Oxford. Trotzdem taucht es regelmässig in wissenschaftlichen Studien auf. Gibt man ‹Zollikon› in der Suchmaschine ‹Google Scholar› ein, erhält man allein für das laufende Jahr über 368 Treffer.
Das sind deutlich mehr als etwa für Volketswil (99 Treffer) oder Zumikon (13 Treffer). Woran liegt das? Die meisten Treffer gehen auf zwei berühmte Männer zurück: Karl Barth und Martin Heidegger. Der Basler Karl Barth (1886-1968) war einer der bedeutendsten reformierten Theologen der Gegenwart. Der entschiedene Gegner des Nationalsozialismus lehrte bis 1935 als Professor in Deutschland, musste dann aber in die Schweiz fliehen.
Als ihm unter dem NS-Regime ein Druckverbot seiner Schriften drohte, begann er, seine Bücher im Evangelischen Verlag Zollikon (EVZ) zu veröffentlichen. Diese Werke werden bis heute oft zitiert, was sich jedesmal in einem Treffer bei ‹Google Scholar› niederschlägt. Der EVZ ging später im Theologischen Verlag Zürich auf, der bis heute besteht.
Einen engeren persönlichen Bezug zu Zollikon hatte der kontroverse deutsche Philosoph Martin Heidegger (1889-1976). Er pflegte eine Freundschaft mit dem Zolliker Psychiater Medard Boss. Dieser lud Heidegger zwischen 1959 und 1969 elfmal nach Zollikon ein, um dort in privaten Seminaren mit anderen Psychiatern und Therapeuten eine von Boss so genannte ‹Daseinsanalyse› zu entwickeln. Auch diese ‹Zolliker Seminare› werden in der wissenschaftlichen Literatur bis heute oft zitiert.
Ebenso Objekt wisssenschaftlicher Forschung ist Iwan Iljin (1883-1954), der die letzten 16 Jahre seines Lebens im Exil in Zollikon verbrachte. Der erzkonservative russische Philosoph entwarf ein religiös fundiertes, aristokratisches Staatsmodell Russlands, auf das sich heute der russische Präsident Wladimir Putin und seine Anhänger gerne berufen.
Zollikon kommt aber auch in ganz aktuellen Studien vor, so zum Beispiel in einer Untersuchung über die kinderärztliche Versorgung während der Corona-Pandemie, bei der eine Praxis in Zollikon teilnahm. Oder in einer medizinischen Studie, bei der das Zolliker Softwareunternehmen Augmedi beteiligt war.
Und last but not least: An der Schwendenhaustrasse 16 in Zollikon hat der ‹vdf Hochschulverlag› seinen Sitz, der wissenschaftliche Fach- und Lehrbücher publiziert. ‹Zollikon› dürfte also auch weiterhin für zahlreiche Treffer bei ‹Google Scholar› sorgen.»

Balz Spörri (geb. 1959) lebt als Journalist und Autor in Zürich.