Studien – die Goldgrube der Medienschaffenden

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8. Oktober 2022 – Der Journalist und Autor Balz Spörri hat eine Schwäche für Studien. Er sichtet für «ZollikerNews.ch» überraschende Untersuchungen und macht sich in der Kolumne DIE BUNTE WELT DER STUDIEN so seine Gedanken. Willkommen an Bord!

$balz Spörri Porträt
Ein Flair für interessante Studien: Balz Spörri (Foto: as)

Balz Spörris Welt besteht zu einem grossen Teil aus Sprache. Er liest unglaublich viel, aktuell einen chinesischen Gegenwartsroman und das neueste Buch der «New York Times»-Journalistin Maggie Haberman «Täuschung» über Donald Trump. Von Beruf ist er Journalist und Autor. Das heisst, er schreibt auch viel, unter anderem gemeinsam mit den beiden Journalisten Benno Tuchschmid und René Staubli das vielbeachtete Buch «Die Schweizer KZ-Häftlinge».

Studiert hat er Germanistik und Geschichte, seine Dissertation widmete er der «Sozialgeschichte des Lesens». Bücher, Wörter, Sätze haben ihn schon als Kind begleitet: sein Vater war Theaterregisseur und seine Mutter Dozentin an der Universität Zürich und Leiterin des phonetischen Labors. Damit stand auch die Frage im Raum, ob er nach seinem Studienabschluss nicht auch eine wissenschaftliche Karriere anstreben sollte. Er schüttelt den Kopf: «Die Vorstellung, mich sozusagen lebenslang mit einem Thema beschäftigen zu müssen, schien mir nicht besonders verlockend.»

Da kam der Platz in der Ringier Journalistenschule wie gerufen, den er sich als einer von ganz wenigen nach einem aufwändigen Aufnahme- und Testverfahren ergatterte. Der promovierte Philologe wählte bewusst den «Blick» als sogenannte Stammredaktion und durfte in die Welt des Sex & Crime eintauchen, die den Boulevardjournalismus massgeblich ausmacht: «Ich fand es super, auf dem Weg etwas komplett Neues kennenzulernen.»

Bei Neil Postman in New York

Nach dem Ende der Ausbildung liess er es dann etwas seriöser angehen. Er wurde Redaktor bei der Familienzeitschrift «Schweizer Woche», ehemals «Das Gelbe Heft», und schrieb Artikel über historische, aber auch politische Themen, die in der Schweiz angesiedelt waren. Es gefiel ihm, sich Woche für Woche in neue Stoffe vertiefen zu können: «Die Abwechslung passte mir sehr.»

Diesem Bedürfnis entsprach denn auch sein Entscheid, ein Jahr in New York zu verbringen, wo er mit dem berühmten amerikanischen Medienwissenschaftler Neil Postman zusammenarbeiten konnte. Ein Stipendium der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften hatte ihm diesen Aufenthalt ermöglicht. Nach seiner Rückkehr hängte er noch ein halbes Jahr bei der Stiftung Lesen im deutschen Mainz an.

In den folgenden Jahren blieb er Zürich treu und widmete sich ganz dem Journalismus: Redaktionsstellen auf der «Sonntagszeitung» und der «Schweizer Familie» und freie Tätigkeit wechselten sich ab; konstant blieb sein Themenbereich: Spörri arbeitete für das Ressort Wissen.

Während dieser Zeit lernte er den Wert wissenschaftlicher Studien kennen. Er habe intensiv Ausschau gehalten nach Untersuchungen zu spannenden Themen mit überraschenden Ergebnissen, die er dann in einem Artikel präsentieren konnte. Dazu habe er damals zahlreiche wissenschaftliche Fachzeitschriften gelesen.

Mit der zunehmenden Digitalisierung verlagerte sich seine Aufmerksamkeit auf Online-Datenbanken. Gute Dienste leistete ihm beispielsweise der Informationsdienst Wissenschaft, eine Art Infodienst für Wissenschaft, Medizin und Technik, der jeden Morgen bis zu 20 Studien vorstellt, die von mehreren Fachleuten vor der Publikation überprüft worden sind und als «peer-reviewed» bezeichnet werden. Versehen mit diesem Gütesiegel bildeten die Studien auch für den Redaktor eine Quelle, die er wiederholt anzapfte.  

Medienschaffende, räumt er ein, seien natürlich primär an der «knackigen Aussage» interessiert, «am besten neu, überraschend und topaktuell», aus der sie eine «heisse Schlagzeile» machen können. So erinnere er sich an eine Studie, die Schlittelunfälle im Berner Oberland untersucht habe und zum Schluss gekommen sei, dass Zahl und Schwere der Verletzungen stark zugenommen hätten: «Die Zahlenbasis war zwar eher bescheiden, aber meine Vorgesetzten bei der «Sonntagszeitung» hielten die Geschichte für sehr attraktiv und wir haben sie gebracht.» Das Thema habe tatsächlich viele Leute interessiert und wurde von anderen Medien wie «20 Minuten» aufgegriffen.

«Abseitige» Themen sind attraktiv

Ihn selber interessieren mehr Untersuchungen, die ein bisschen «abseitiger angesiedelt» seien, «weniger main-streamig». So habe er etwa jene Studie «extrem spannend» gefunden, an deren Anfang der französische Dichter Charles Baudelaire (1821-1867) gestanden habe, der nach einem Schlaganfall nur noch ein einziges Wort, «Gottverdammt», habe sagen können. Der Einbezug von weiteren hirnverletzten Patienten, die ebenfalls an Sprachstörungen litten, sowie von Makaken-Affen brachten die Forscher zur Annahme, dass Fluchen offenbar von einer sehr alten Hirnregion gesteuert wird und eine ähnliche Funktion erfüllt wie das wütende Grunzen von Affen.

Studien selber seien ja auch immer wieder Gegenstand von Untersuchungen und Analysen. Eine Frage sei dabei auch, wer denn die Teilnehmer der Studien seien. Lange Zeit basierten zum Beispiel sehr viele US-Studien auf den Angaben weisser College-Studenten. Der Grund? Sie waren motiviert mitzumachen, weil ihnen die Teilnahme zusätzliche Punkte auf ihrem Studienkonto brachte, und ja, schlicht und einfach, weil sie «greifbar» waren. Das habe natürlich zu stark verzerrten Ergebnissen geführt. Heute werde bei der Auswahl mehr auf Diversität geachtet.

Dass sich Balz Spörri von nun an einmal pro Monat für unser Online-Magazin «ZollikerNews.ch» in DIE BUNTE WELT DER STUDIEN begibt, hat auch damit zu tun, dass der 63-Jährige seit kurzem frühpensioniert ist. Diesen Schritt hat er gemacht, weil er noch etliche neue Projekte anpacken möchte, darunter eine «Kulturgeschichte des Witzes», der er etliche Jahre Arbeitszeit einräumt. Wir schätzen uns glücklich, dass er neben diesem Grossprojekt noch Zeit für uns erübrigt und begrüssen unseren neuen Kolumnisten herzlich.

PS: Familie Spörri wohnte übrigens nur wenige Meter von der Zolliker Grenze entfernt auf der Zürcher Seite. Drum entschied sich der junge Balz, beim FC Seefeld Fussball zu spielen und nicht beim SC Zollikon. (bl)

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