Der Philosoph, der auch ans Klima denkt

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29. Oktober 2025 – Der Zolliker Philosoph Christoph Baumberger unterrichtet an verschiedenen Hochschulen und einem Gymnasium. Es ist ihm ein grosses Anliegen, dass das kritische Denken nicht untergeht. Am 6. November erzählt er im Talk am Puls, was die Philosophie dazu beitragen kann.

Christoph Baumberger (Illustration: Willi Spirig)
Christoph Baumberger (Illustration: Willi Spirig)

Meine Tage verlaufen völlig unterschiedlich. Ich bin viermal pro Woche an der Kantonsschule Alpenquai in Luzern, wo ich Philosophie unterrichte. An gewöhnlichen Arbeitstagen unterrichte ich sechs Lektionen und fahre dann wieder heim. Abends esse ich mit meiner Frau und unseren 17- und 20-jährigen Söhnen. Wir mögen es, beim Nachtessen ausgiebig zu plaudern.

Der Dienstag ist ein verrückter Tag, er hat es wirklich in sich. Dann stehe ich schon um 6.20 Uhr auf, trinke, wenn die Zeit reicht, einen Tee – essen mag ich erst mittags – und verlasse um 6.40 Uhr das Haus Richtung Hauptbahnhof. Um 8.15 Uhr ist Unterrichtsbeginn in Luzern. An diesem Vormittag gebe ich zwei Doppellektionen.

In der Innerschweiz ist Philosophie – anders als beispielsweise in Zürich – ein Maturafach, das alle Fünft- und SechstklässlerInnen belegen müssen. Das sind junge Leute im Alter von 16 bis 18 Jahren. Kommt dazu, dass auch die Absolvierenden der Sport- und Musikklassen, die neben der Schule professionell oder halbprofessionell Sport oder Musik machen, meinen Unterricht besuchen. Die sind noch ein Jahr älter und führen bereits ein eigenständiges Leben. Das spüre ich deutlich in den Diskussionen, die in diesen Gruppen möglich sind.

Meine Lektionen sehen jeweils so aus: ich entscheide mich für ein Thema, sagen wir Ethik, und fokussiere beispielsweise auf den Vergleich von Utilitarismus und Pflichtethik. Utilitarismus ist die Theorie, die die Maximierung des persönlichen Nutzens in den Vordergrund stellt, während die Pflichtethik den Respekt vor den Rechten der Einzelnen ins Zentrum rückt. Nach einer kurzen Einführung verteile ich einen zweiseitigen Textausschnitt und gebe verschiedene Aufträge für die Lektüre.

Anschliessend diskutieren wir im Plenum. In der Regel habe ich 20 Schülerinnen und Schüler, das ist nahrhaft. Auf Hausaufgaben verzichte ich, weil es nichts bringen würde, so schwierige Texte allein daheim lesen zu lassen. Mir ist es wichtiger, mit den Klassen zwei intensive Stunden im Schulzimmer zu erleben. Dabei lege ich grosses Gewicht darauf, ihnen das kritische Denken zu vermitteln. Angesichts von TikTok, Instagram und anderen Plattformen droht das sonst unterzugehen.

Um 12 Uhr sitze ich im Zug nach Bern und esse etwas vom Bäcker, vielleicht eine Gemüsewähe. Ich lebe zwar noch nicht hundertprozentig vegetarisch, obwohl ich überzeugt bin, dass es die richtige Lebensweise wäre. Zum Trinken gibt’s Wasser. Das ist alles ein bisschen bescheiden, ja, mager. Aber gut und ausgiebig essen findet an anderen Tagen im Kreis von Familie und FreundInnen statt.

In Bern muss ich an die Universität im Länggass-Quartier ganz in der Nähe vom Bahnhof. Dort leite ich ein Seminar für Philosophie-Studierende, aber auch für Leute mit Hauptfächern wie Mathematik oder Geographie. Oft nehmen auch einige Pensionierte teil. Von 13 bis 14 Uhr habe ich noch eine Stunde für mich, in der ich mein Programm akribisch überprüfe. Ich will in der mir zur Verfügung stehenden Zeit wirklich zu den entscheidenden Punkten kommen und nicht nur palavern.

Wir beginnen um 14 Uhr und arbeiten bis 16 Uhr. Das übergeordnete Thema ist Klima, das im Seminar aus den Perspektiven der Wissenschaftsphilosophie, der Ethik und der politischen Philosophie behandelt wird. Da diskutieren wir beispielsweise Fragen wie «Ist die Demokratie die geeignete Staatsform, um die Klimakrise zu bewältigen?» Eine provokative Frage, ich weiss, aber sie führt jeweils zu spannenden Diskussionen.

Dass ich mich diesem Thema so intensiv widme, hat auch mit meiner vorherigen Tätigkeit als Dozent an der ETH zu tun. Ich war dort am Departement Umwelt und Systemwissenschaften angestellt und habe mich mit philosophischen Fragen rings um Umwelt und Klima beschäftigt. Dabei hatte ich viel zu tun mit dem bekannten Umweltwissenschaftler Reto Knutti, mit dem ich auch eine gemeinsame Lehrveranstaltung durchgeführt habe.

Nach dem Ende meines Seminars an der Uni Bern mache ich einen Spaziergang, um den Kopf wieder frei zu kriegen. Denn nun muss ich nochmals nach Luzern, wo ich von 19.15 bis 20.45 Uhr an der Philosophischen Akademie, einer Art Volkshochschule, eine regelmässige Veranstaltung im Rahmen eines zweijährigen Philosophie-Lehrgangs durchführe. Wenn das Wetter es erlaubt, verpflege ich mich vorher noch schnell am See. Dann geht es los: mein Modul widmet sich dem Thema Erkenntnistheorie und Wissenschaftsphilosophie. Bekannte Namen dazu sind Kant oder Popper. Harte Kost, keine Frage. Diesmal halte ich eine Art Vorlesung mit kurzer Diskussion am Schluss.

Um 21.10 Uhr fährt mein Zug Richtung Zürich. Während der Fahrt kann ich nochmals eine Stunde arbeiten. Gegen 22.30 Uhr komme ich zuhause an. Nach einem solchen Tag bin ich richtig müde. Dann gibt’s nicht mehr viel: Duschen und ab ins Bett.»

«Talk am Puls», Donnerstag, 6. November. Die Bar öffnet um 19 Uhr, der Talk beginnt um 19.30 Uhr, anschliessend gemütliches Beisammensein. Eintritt frei. Gastgeber im Café am Puls ist Pfarrer Simon Gebs.

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