«Der Tierschutz ist ein Thema für die Uno»

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8. Januar 2024 – Der Zolliker Antoine F. Goetschel ist der bekannteste Tieranwalt der Schweiz. Er hat es geschafft, die Würde des Tieres in der Verfassung zu verankern und sagt: «Wenn wir den Tieren mehr Sorge tragen, geht es auch den Menschen besser.»

Tierschutzanwalt Antoine F. Goetschel
Der Zolliker Tierschutzanwalt Antoine F. Goetschel (Illustration: Willi Spirig)

Ich wache in der Regel zwischen sieben und halb acht Uhr auf. Dann brauche ich viel Zeit, um in mich hineinzuspüren und zu meditieren, sei es transzendental, kabbalistisch oder tibetisch-buddhistisch. In diesen Momenten sehe ich meine Seele vor mir, und ich reinige, ja, wasche sie, hänge sie auf und lasse sie auf diese Weise Atem schöpfen.

Gerade in diesen Zeiten der Obszönität, denken Sie an die Ukraine, Israel und den Gazastreifen, ist es mir besonders wichtig, meine innere Ruhe zu pflegen. Ich kann all die Projekte, die ich verfolge, nicht im Erledigungsmodus bewältigen, sondern muss ihnen aus meiner eigenen Mitte heraus nachgehen. Nur so bin ich kreativ und effizient. Um diesen Zustand zu erreichen, schenke ich mir viel Zeit, die ich morgens im Bett verbringe, manchmal bis neun Uhr.

Ich bin letztes Jahr 65 geworden. Jungfrau, Aszendent Löwe. Ich bin jetzt der Löwe mit der Mähne, der mehr Ruhe braucht als früher und gern etwas gekrault wird. Dieses Bedürfnis muss ich ausleben. Zum Morgenessen mache ich mir 4 dl warmes Wasser, um die 50 Grad, mit ein paar Spritzern Zitrone. Ich dusche selten. Ein altmodischer Waschplätz und Seife tun es auch. Wenn ich allerdings am Abend einen Anlass habe, den Besuch eines Konzerts oder ein Nachtessen mit spannenden Freunden und Freundinnen, ‹brezle› ich mich schon etwas auf. Habe ich keine Beschwerden wie Rückenschmerzen, verzichte ich auf Stretching und Sport.

Das Minitrampolin, das immer noch in meinem Wohnzimmer steht, erinnert an jene Zeit, in der ich Covid, Long Covid und eine beidseitige Lungenembolie hatte, was mich körperlich, mental, aber auch wirtschaftlich echt geschafft hat. Auf dem Trampolin habe ich versucht, wieder ins Leben zurückzukehren. Jetzt geht es mir wieder gut. Drum kann ich auch wieder arbeiten. Mit dem Auszug meines Sohnes habe ich sein Zimmer renovieren lassen und mir darin mein Büro eingerichtet. Das gefällt mir.

Am Vormittag trage ich zunächst einmal alle Emails ab, die von meiner Klientschaft reingekommen sind, aber auch von Projekten aus dem Tierschutz, aus Literatur, Musik und Theater, die ich am Aufgleisen und Entwickeln bin. Viel Zeit verbringe ich aktuell mit dem Versuch, die Themen Tierschutz und Tiergesundheit in die Vereinten Nationen, die UNO, hineinzutragen. Als Präsident eines Vereins mit 120 Rechtsprofessoren, Tierschutzspezialistinnen und Anwälten aus der ganzen Welt, dem Global Animal Law-Projekt, habe ich einen entsprechenden UNO-Konventionsentwurf ausgearbeitet. Das war schwierig, denn nicht überall auf der Welt hat der Tierschutz einen so hohen Stellenwert wie in der Schweiz.

In die Hände gespielt hat uns die Pandemie, die das Thema Zoonosen, also die zwischen Tier und Mensch wechselseitig übertragenen Infektionskrankheiten, ins Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt hat. Ausgehend davon haben wir den Begriff Tierschutz nun ausdrücklich um den Aspekt der Tiergesundheit erweitert, die wir als Grundlage für die Gesundheit der Menschen betrachten. Es geht in Richtung one health: wenn wir den Tieren mehr Sorge tragen, geht es auch den Menschen besser. Auf diese Art haben wir eine wesentlich stärkere Argumentationslinie gewonnen.

Ich engagiere mich stark für dieses Projekt und nutze dazu auch mein internationales Netzwerk. Das bedeutet regelmässige Calls mit Australien, den USA, England, Bosnien-Herzegowina, die ich den Zeitzonen entsprechend planen muss. Aktuell kann ich auf ein Team von acht Leuten zählen, das uns unter anderem bei der Mittelbeschaffung unterstützt. Mittags esse ich wenig, mal Darvida mit Butter und Käse, mal eine Rösti, die ich mir aus den Geschwellti vom Vortag zubereite.

Am Nachmittag widme ich mich dann häufig der Lektüre von Büchern, die in Zusammenhang stehen mit einem Projekt. Ein Beispiel: Ich bin dabei, einen grossen Anlass zu Hermann Hesses Roman ‹Steppenwolf› zu organisieren. Per Zufall habe ich realisiert, dass Hesse vor knapp 100 Jahren einen Maskenball im Nobelhotel Baur au Lac besucht hat, der ihn zur Schlüsselstelle im ‹Steppenwolf› angeregt hat. Ich will genau 100 Jahre später, am 6. Februar 2026, wieder einen Maskenball in Zürich organisieren – zu Ehren des Schriftstellers und seines grossartigen Werks.

Nachdem ich den ‹Steppenwolf› erneut gelesen habe, ist mir klar geworden, dass die Sorgen der damaligen Zeit – Angst vor dem Ausbruch eines Krieges in Europa, zunehmende Motorisierung der Städte, der Verlust von Lebensfreude – in etwa auch die Sorgen sind, die die Menschen heute bedrängen. Hesse stellt all dem eine zutiefst humanistische Lösung in Form von mehr Humor, mehr Liebe, mehr Goethe und Mozart entgegen. Diese Aussage finde ich in der heutigen Zeit zentral, die geprägt ist von grosser Orientierungslosigkeit. Ich habe die Marke Steppenwolf auf meinen Namen eintragen lassen und möchte, dass es einen Film, ein Theater, ein Musical mit dem Titel ‹Die Steppenwölfin›, ein Buch und viele Partys und Feiern dazu gibt.

Abends lese ich, mal den ‹Zauberberg› von Thomas Mann, mal in Dantes ‹Divina Commedia›, mal eine Biografie von Hesse. Manchmal lasse ich mich auch dazu hinreissen und schaue Fernsehen. Gern treffe ich mich mit Bekannten und gehe mit ihnen essen.

Mein Sozialleben findet aber mehr am Wochenende statt. Es gibt Phasen, in denen ich viel laufe, oft auch mit einem ‹Gschpänli›, mit dem ich in den Bergen wandern gehe. Drogen nehme ich keine, berauschen lasse ich mich lieber von einem fantastischen, herzerotisierenden Orgelkonzert oder dem Auftritt einer grossartigen Band am Jazzfestival in Montreux.

Trinken? Ich bin zum Schluss gekommen, dass kein Alkohol auch keine Lösung ist. Seither genehmige ich mir wieder meinen Roten. Als ich kürzlich das Altglas entsorgte, habe ich allerdings gestutzt angesichts der Menge der leeren Flaschen. Gegen elf Uhr, halb zwölf gehe ich ins Bett. Es sei denn, ich besuche meinen Sohn in Berlin und tanze in einem Club die Nacht durch.» (Aufgezeichnet von bl)

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