«Die Liebe ist eine lebensrettende Zumutung…»

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28. Dezember 2021 –  «… eine Lizenz für das Fremde, das man für einmal nicht abstösst, sondern integriert – und sich dabei selbst verwandelt.» Dieser Satz hat für Christina Caprez eine besondere Bedeutung. Sie erzählt:

Porträt Christina Caprez
Christina Caprez (Foto: bl)

«Diesen Satz von Adolf Muschg, gedruckt als Sinnspruch auf einer Postkarte, schickte mir einst eine Frau, mit der ich eine kurze Affäre hatte und mit der ich später freundschaftlich verbunden blieb. Warum sie mir diesen Satz schickte? Keine Ahnung. Er ist mir auf jeden Fall nachgegangen.

Die Idee, die darin zum Ausdruck kommt, ist mir zunächst einmal fremd. Freundschaften, auch Liebesbeziehungen basieren bei mir eher auf der Vorstellung von «Gleich und gleich gesellt sich gern». Das ist vielleicht auch eine Folge meiner Herkunftsfamilie, in der Gedanken wie Gleichheit und Gerechtigkeit einen hohen Stellenwert haben. Ich habe es immer geschätzt, mit Menschen zusammenzusein, die gleiche oder zumindest ähnliche Weltanschauungen haben wie ich und Gleichberechtigung beispielsweise für eine völlig normale Sache halten.

Je länger aber Beziehungen bestehen, je mehr auch ich mich emotional einlasse und damit verletzlicher mache, um so eher bin ich auch mit Differenzen konfrontiert. Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass mein Gegenüber ein anderer Mensch ist, der nicht immer gleich tickt wie ich.

Mit der Zeit habe ich verstanden, dass daraus nicht bloss Konfrontation resultiert, sondern – so kitschig es vielleicht klingt – auch Bereicherung, und zwar für beide Seiten. Aktuell erlebe ich genau das. Mein Partner, ein Agrarökonom aus Norddeutschland, der nach fünf Jahren Fernbeziehung jetzt zu mir nach Zollikon in meine Wohngemeinschaft zieht, teilt zwar viele Ansichten mit mir, aber vom Temperament her sind wir grundverschieden. Während er eher der kontemplative Typ ist, bin ich mehr die Macherin, die sofort handelt und bei Problemen schnell eine Lösung sucht.

Er hat mal zu mir gesagt, ich müsse mehr wahrnehmen und staunen – im Sinne von: ‹Halt doch erstmal inne, bevor du gleich losstürzt!› Ihm tut es gut, wenn er hin und wieder hört: ‹Nun mach mal Nägel mit Köpfen!› Das meine ich mit gegenseitiger Bereicherung.»

Christina Caprez (geb. 1977), ist Zolliker Buchautorin und Journalistin

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