«Ich suche neue Herausforderungen»

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29. November 2023 – Christoph Berger, Infektiologe am Kinderspital, ist während der Pandemie als «Impfpapst» bekannt geworden. Er beschreibt, wie sein Arbeitstag aussieht, und verrät, wie er das neue Kispi organisatorisch verbessern will.

Christoph Berger
Christoph Berger (Illustration: Willi Spirig)

Um sechs Uhr bin ich auf den Beinen. Dann brauche ich ein bisschen Zeit für mich. Ich will auf keinen Fall pressieren, wenn ich dusche und mich rasiere. Nachher mache ich einen Kaffee, esse ein Stück Brot mit Konfi und begegne dem einen oder anderen Familienmitglied, das inzwischen auch aufgestanden ist. Supergesprächig sind wir allerdings nicht. Um plus/minus viertel vor sieben bin ich spätestens aus dem Haus.

Es ist mir wichtig, dass ich die erste Zeit am Morgen allein im Büro verbringen kann. So kann ich mich auf den Tag einstellen und noch das eine oder andere vorbereiten. An der anschliessenden Ärztebesprechung kommt es zur Übergabe von der Nacht- zur Tagesequipe: aktuelle Probleme, neue Patienten. Von da an reiht sich bei mir Sitzung an Sitzung.

Momentan setze ich sehr viel Zeit ein für das neue Kinderspital, das im November 2024 den Betrieb im Zürcher Lengg-Quartier aufnimmt. Mein Fokus liegt primär auf den Veränderungen, die es innerhalb der Organisation braucht. Konkret: Wir haben ein sehr schönes neues Spital, in das wir mit gleich viel Personal und gleich vielen Patienten zügeln, wo wir die Teams und Abteilungen aber völlig anders, nämlich sinnvoller gruppieren werden. Kinder mit ähnlichen Beschwerden und Krankheiten, also onkologische Patienten und Herzpatienten, aber auch solche mit Erkrankungen der Bauchorgane werden jeweils beieinanderliegen, was ihre Behandlung dank Konzentration der Kompetenz optimieren wird.

An den Sitzungen besprechen wir Themen verschiedener Art. Konkret fragen wir uns beispielsweise,  ob wir die im neuen KiSpi geplante Tagesstruktur nicht schon jetzt im alten Betrieb in Hottingen einführen könnten, um die Zeit auszunützen und den sowieso schon herausfordernden Umzug und den Start im neuen Spital nicht noch mehr zu überfrachten. Dazu wollen wir die Leute mitnehmen, Change Management betreiben, wie es so schön heisst, mit dem Ziel, die Mitarbeitenden zu begeistern. Das passiert nicht von allein. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen müssen unter anderem rechtzeitig mit dem neuen Gebäude vertraut gemacht werden, das stärkt ihre Motivation und macht den neuen Arbeitsplatz attraktiv.

Zwischendurch nehme ich momentan nur vereinzelt an einer Visite teil. Das bedauere ich etwas, weil der direkte Kontakt mit den Patientinnen, den Patienten und dem Personal direkt am Bett für mich Highlights sind. Ich bekomme mit, wie der Alltag auf einer Station läuft und wie die Stimmung ist. Das ist unser Kerngeschäft.

Um die Znünizeit gibt es irgendwo einen Kaffee und ein Brötli. Manchmal allein, häufig zusammen mit anderen. Diese Viertelstunde ermöglicht mal da, mal dort einen kurzen Austausch, was ich sehr schätze.

In der ersten Hälfte des Tages muss ich mindestens einmal, oft auch zweimal mit meiner Assistentin, die meine Agenda führt, einen Abgleich der Termine machen. Das ist zwingend, sonst funktionieren die eng getakteten Tage nicht. Um 11.30 Uhr habe ich einen fixen Termin. Da geht’s täglich ins Labor, wo ich mit dem Team die Fragen zu unklaren Fällen bespreche. Es schliesst sich eine weitere Fixzeit an: der Rapport zum herausfordernden Thema Bettenkapazitäten, ein toughes Koordinations-Meeting, zehn Minuten lang mit den Schlüsselpersonen aus Pflege, Ärzteschaft und Administration.

Mittagessen heisst Sandwich, zehn Minuten lang. Eine kurze Verschnaufpause. Das ist zwar nicht optimal, geht aber nicht anders. Um so mehr freue ich mich auf das Nachtessen zuhause.

Bis dahin geht’s Schlag auf Schlag weiter: Ich sehe mein Infektiologie- und mein Spitalhygieneteam, einzeln oder in Gruppen. Ich bin auch engagiert in der Forschung, als Mitglied oder Koordinator von Forschungsgruppen, die sich mit Fragen zu Infektionen bei Kindern, deren Diagnose und Therapie beschäftigen. Dazu gehört auch ein nationales Projekt, das sich des hochspannenden Themas der kinderspezifischen Medikamentendosierung annimmt. Da sind wir schon gut vorangekommen mit dem Aufbau einer dringend nötigen Datenbank für medizinische Fachpersonen.

Stichwort Lehre: Nicht vergessen darf man die Doktoranden und deren Arbeiten, die ich begleite und die jährlich bis zu 40 Vorlesungen an der Uni und ETH über das Gebiet der Infektionskrankheiten innerhalb der Kindermedizin, die ich gerne halte.

Meine Woche im KiSpi hat viele Stunden. Es vergeht kaum ein Abend und kein Wochenende, an dem ich nicht mindestens an einem Tag arbeite: Vorlesungen oder Vorträge schreiben, Arbeiten von Studierenden begutachten, Sitzungen für die Eidgenössische Impfkommission vorbereiten, deren Präsident ich noch bis Ende Jahr bin. Das ist alles in allem zu viel. Und ich will vermehrt darauf achten, dass sich das ändert.

Aber insgesamt habe ich nun mal einen sehr intensiven, dafür aber auch megatollen Beruf, der mich immer wieder herausfordert. Ich könnte mir keinen besseren vorstellen. Er entspricht mir, weil ich ein Mensch bin, der neue Herausforderungen sucht.»

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