Von der Energiestadt und Öko-Sensibilität

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21. März 2022 – Die Bevölkerung wünschte sich eine Sensibilisierung für ökologische Themen wie Klimaerwärmung, Energieverbrauch, Umweltschutz und Schonung der Ressourcen. Der Gemeinderat überraschte die Arbeitsgruppe mit der Ankündigung, er habe sich zum Ziel gesetzt, Zollikon bis spätestens 2010 zur Energiestadt zu machen.

Label Energiestadt Zollikon
So könnte es sein: «Energiestadt Gold» Zollikon

Was man wissen muss: Als die «Zukunftskonferenz» 2007 stattfand, setzte sich der Gemeinderat anders zusammen als heute: Drei VertreterInnen der FDP (Katharina Kull-Benz als Präsidentin, Gisela Neukomm und Martin Byland) regierten mit drei Leuten vom Forum 5W (Thomas Bänninger, Dominique Bühler und Jürgen Schütt). Das Zünglein an der Waage war Jürg Widmer von der SVP.  

Zunächst beschloss der Gemeinderat, eine breit zusammengesetzte Begleitgruppe ins Leben zu rufen, deren Aufgabe darin bestehen sollte, den Prozess hin zur Energiestadt «kritisch zu begleiten, den Gemeinderat zu beraten und durch die breite Vernetzung den Boden für die Akzeptanz energiepolitischer Massnahmen in der Bevölkerung zu fördern».

Ausserdem versprach er, ein energiepolitisches Leitbild zu formulieren, das Energiespar-Potential in kommunalen Gebäuden zu überprüfen, Aktionen zur energiebewussten Haltung in der Bevölkerung zu lancieren und gedeckte Veloabstellplätze an Forchbahnstationen zu schaffen.

Interne Spannungen

Dominique Bühler, als Gemeinderätin verantwortlich für die Werke, erinnert sich noch gut an die steinigen Anfänge: «Zuerst ging es um unseren Antrag, dem Verein Energiestadt beizutreten. Er wurde mehrmals für noch detailliertere Abklärungen an meine Abteilung zurückgewiesen. Eine Art Zermürbungstaktik, die sich gegenüber Anliegen des Forum 5W noch oft wiederholen sollte.»

Als Mitglied des Vereins Energiestadt kann sich eine Gemeinde beraten lassen und eine Potentialanalyse durchführen. Anschliessend werden klimapolitische Massnahmen für die nächsten vier Jahre festgelegt. Gelingt es der Gemeinde, die Hälfte davon umzusetzen, kann sie sich als Energiestadt zertifizieren lassen.

2008 wurden 25 Stellenprozente für die Projektleitung bewilligt, aber nicht besetzt. Immerhin gab es einen Bring und Hol-Tag, eine thematische Ausstellung und Energiewochen in der Verwaltung.

Im Spannungsfeld zwischen den Parteien kam es zu merkwürdigen Entscheiden. Ein Beispiel: Die Dächer des neuen Schulhauses Oescher wurden für die Installation von Solaranlagen vorbereitet. Die Kosten für die Ausrüstung mit Solartechnik rechnete man jedoch nicht mit ein – aus Angst, dass das gesamte Projekt vom Souverän abgelehnt werden könnte. 2010 wurde das Oescher dann ohne Solaranlagen eingeweiht.

Dächer Schulhaus Oescher
Schulhaus Oescher: Blanke Dächer (Foto: rs)

Verschiebung bis 2012

Als sich das Jahr 2010 dem Ende zuneigte, fragten die Grünliberalen nach, was der Gemeinderat denn unternehme, um das Zertifikat «Energiestadt» – wie angekündigt – noch in der laufenden Legislatur zu erhalten. Und was mit der versprochenen Begleitgruppe geschehen sei?

Man habe sich bewusst für ein nachhaltiges Vorgehen entschieden, antwortete Kull-Benz: «Statt medienwirksamer Auftritte und Aktivitäten wurden in den letzten vier Jahren in verschiedenen Bereichen Grundlagen erarbeitet.»

Ausserdem habe man konkrete Projekte umgesetzt. Zum Beispiel die Bohrungen für das Erdsonden­feld zur Beheizung und Kühlung des Gemeindesaals oder den Einbau einer energiesparenden Steuerung im Hallenbad Fohrbach für die haustechnischen Anlagen.

«Der Gemeinderat strebt die Erreichung des Labels weiterhin an», versprach Kull-Benz, «er geht davon aus, dass es bis 2012 erreicht werden kann.» Was die Begleitgruppe angehe, befasse man sich noch mit der «Erarbeitung der notwendigen Dokumentationen». Das rund zehnköpfige Gremium wolle man schon bald einberufen.

In der Folge schmetterte die Gemeindeversammlung mit grosser Mehrheit den Antrag der GLP ab, der Begleitgruppe ein Startgeld für das Projekt Energiestadt-Label von 40’000 Franken zur Verfügung zu stellen. Im März 2011 lehnte die Bevölkerung auch das Budget 2012 ab. Unter anderem wurden 53’000 Franken für den Bezug erneuerbarer Energien für alle gemeindeeigenen Liegenschaften und 124’000 Franken für die Aktivitäten der «Energiestadt» gestrichen.

«Auf dem Weg zur Energiestadt»

Im Dezember 2011 gab der Gemeinderat bekannt, dass die Begleitgruppe ihre Aktivitäten nunmehr aufgenommen habe. Man wolle sich zwei bis vier Mal jährlich treffen, «um energiepolitische Themen zu diskutieren und voranzutreiben». Die Gemeinde sei «auf dem Weg zur Energiestadt» und habe ein energiepolitisches Leitbild erarbeitet. Gleichzeitig seien «mögliche Massnahmen mit Energiestadt-Spezialisten definiert und in einem energiepolitischen Massnahmenkatalog zusammengetragen worden». 

Die Begleitgruppe habe diesen Katalog diskutiert und mit Prioritäten versehen, gab die Gemeinderätin Bühler bekannt. Folgende Themen seien vordringlich:

  • Erfassung und Darstellung des Status Quo der Verbrauchswerte für die ganze Gemeinde. 
  • Überprüfung der Machbarkeit von Photovoltaik- und Solaranlagen auf den Dächern der Gemeindeliegenschaften sowie die Energieeffizienz in den gemeindeeigenen Gebäuden. 
  • Zuteilung eines jährlichen Budgets, um sich weiterhin mit Nachdruck für die Umsetzung des energiepolitischen Leitbildes kümmern zu können und so den Status Energiestadt bald zu erreichen. 
  • Erarbeitung eines Kommunikationskonzepts, um die Bevölkerung zur Thematik der Energiestadt breit einzubeziehen. Nicht nur die öffentliche Hand solle vorbildlich(er) werden – man wolle möglichst auch das Engagement Privater anregen.

«Als es darum ging, diese Pläne umzusetzen, liess der Gemeinderat das Projekt an einer Sitzung scheitern», erinnert sich Bühler. Die 2000 Franken für die Zertifizierung als Energiestadt seien hinausgeworfenes Geld. Zollikon habe keine solche Überprüfung nötig – «unsere ganze Arbeit war für die Katze.»

Bühler sagt, die «Sonnenstadt Zollikon» sei ihr grosser Traum gewesen: «Zollikon als Vorreiter-Gemeinde mit Photovoltaik auf allen öffentlichen Dächern und dem Label ‹Energiestadt Gold›».

Sie habe sich oft gefragt, was herausgekommen wäre, wenn die FDP und nicht das Forum 5W vorgeschlagen hätte, Energiestadt zu werden. Für sie sei es schwierig gewesen, die Mitarbeitenden der involvierten Abteilungen für das Projekt zu motivieren. «Alle wussten, dass ihre Arbeit angesichts der Machtverhältnisse im Gemeinderat wohl vergeblich sein würde. Und leider behielten die Leute fast immer recht.»

2012: Das Label wird beerdigt

2012 traten Bühler und Bänninger aus gesundheitlichen Gründen aus dem Gemeinderat zurück, auch deshalb, weil sie den Sparkurs der Gemeindeversammlung nicht länger ertrugen. Jürgen Schütt, der seinen Rücktritt ethisch begründete, musste bis 2014 bleiben.

Der neu zusammengesetzte Gemeinderat informierte die Bevölkerung umgehend über die Beerdigung des Energiestadt-Projekts: «Wo sich Ziele nicht umsetzen liessen oder anderen Prioritäten weichen mussten, liess sich der Gemeinderat von einem pragmatischen Geist leiten. Das Energiestadtlabel ist dafür ein konkretes Beispiel. Auch wenn die zur Erreichung des Energiestadtlabels geplanten Aktivitäten zurzeit nicht umgesetzt werden können, wird bei Um- und Neubauten oder bei Sanierungsarbeiten das vom Gemeinderat und der Schulpflege gemeinsam verabschiedete energiepolitische Leitbild beachtet. Zollikon handelt damit auch ohne Label verantwortungs- und energiebewusst und geht sorgfältig mit den knappen Ressourcen um.»

Klimaerwärmung – kein Thema

In den Legislaturzielen 2018–2022 des Gemeinderats wird das Energiestadtlabel mit keinem Wort mehr erwähnt. Es gibt auch keinen einzigen Satz zu den Themen Klimaerwärmung, Energieverbrauch, Umweltschutz, Schonung der Ressourcen und ökologische Sensibilisierung der Bevölkerung – jenen Themen, denen die «Zukunftskonferenz» 2007 grösste Bedeutung beigemessen hatte.

Als die Zürcher Kantonalbank zu ihrem 150-Jahr-Jubiläum eine Sonderdividende ausschüttete, habe das F5W den Gemeinderat aufgefordert, das Geld für eine Solaranlage auf dem Oescher zu verwenden, sagt Bühler. «Der Gemeinderat lehnte mit der Begründung ab, dass es mit einer neuen Solaranlage auf einem zehnjährigen Dach Probleme bei einer eventuellen Sanierung geben könnte.»

Immerhin wurde kürzlich entschieden, auf dem Dach des Polizeigebäudes an der Bergstrasse 10 erstmals eine Solaranlage auf einem öffentlichen Gebäude zu installieren – 30 Jahre, nachdem Zumiker Pioniere auf ihrem Feuerwehrdepot damit begonnen hatten, Solarstrom zu zapfen. 

«Teil der Küsnachter Identität»

Zollikon ist eingefasst von Zürich und Küsnacht, die sich beide «Energiestadt Gold» nennen dürfen. Unsere Fragen richten wir an den Küsnachter Gemeinderat Ueli Schlumpf, Präsident der Energie- und Naturschutzkommission.

Herr Schlumpf, welche Vorgaben müssen die Küsnachter Behörden in Bezug auf das Label erfüllen?
Wir müssen uns regelmässig und strategisch mit Energie­themen auseinandersetzen und der Bevölkerung alle vier Jahre einen unabhängigen Statusbericht abliefern. Jedermann kann überprüfen, ob wir uns in die richtige Richtung bewegen. Wir haben einen Projektleiter Energie und Umwelt sowie eine Energie- und Naturschutzkommission eingesetzt, die sich um die Energie- und Klimathemen aus dem Energiestadt-Katalog kümmern. Zusätzlich werden regelmässige Informations- und Kulturanlässe im Energiebereich durchgeführt.

Was würden Sie als grösste Erfolge bezeichnen?
In den letzten 20 Jahren haben alle Gemeindeversammlungen und der Gemeinderat das Label stets unterstützt. Am 7. Dezember 2021 ist die Versammlung sogar noch einen Schritt weitergegangen und hat die Klimaneutralität bis im Jahr 2040 gefordert – statt wie vom Gemeinderat vorgeschlagen bis 2050. Heute gehört das Gold-Label zu unserer Identität. (rs)

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