Zollikons geheimnisvoller Fitnesstempel

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18. Januar 2022 – Wer in Zollikon bei Dunkelheit zwischen der Bäckerei Hausammann und der ehemaligen Credit Suisse-Filiale Richtung Berg schaut, wundert sich über einen dauererleuchteten, grossen Raum. Dort sollte eigentlich Schweiss vergossen werden.

Porträt Misho Farouk
Inhaber und Trainer Misho Farouk (Foto: zvg)

Hinter den heruntergelassenen Storen verbirgt sich ein Zweigbetrieb des «Pleasure and Pain Health Club» in Thalwil. Der gebürtige Ägypter Misho Farouk (41), der seit 20 Jahren in der Schweiz lebt, gründete das Unternehmen vor mehr als 10 Jahren. Später stiess Anna-Cesarina Bolliger (32) hinzu. Die beiden sind inzwischen verheiratet. Er arbeitet als Personal Trainer, sie war im Immobilienbereich und bei einer Bank tätig, ehe sie bei Misho einstieg und das Backoffice übernahm.

«Nach erfolgreichen Jahren in Thalwil war es unser Traum, eine Filiale ganz nach unseren Vorstellungen zu eröffnen», erzählt Anna-Cesarina. Zürich wäre dafür auch in Frage gekommen, doch in den Standort Zollikon im Migros-Gebäude am Dorfplatz hätten sie sich auf der Stelle verliebt – zentral gelegen, gut erschlossen, grosszügige, helle Räumlichkeiten.

Dann kam Corona

Der Vertrag wurde im Dezember 2019 unterschrieben. Das Paar investierte eine beachtliche Summe in den Um- und luxuriösen Ausbau des Clubs. Die modernen Sportgeräte wurden mit einem Lastwagen angeliefert, mit einem Kran aufs Vordach gehievt und durch die grossen Fenster in die Trainingshalle gehoben.

Als alles bereit war für die Eröffnung, brach Covid über die Schweiz herein. Der erste Lockdown vom 16. März 2020, der erst sechs Wochen später aufgehoben wurde, machte dem Paar einen dicken Strich durch die Rechnung. Der Businessplan war Makulatur. Mit unfreiwilligem Humor sagt Anna-Cesarina: «Wir sind trotzdem positiv geblieben.»

Das Datum für den zweiten Anlauf stand fest, als der Bundesrat den zweiten Lockdown verfügte. Dieser Schlag in den Nacken war noch schwerer zu verdauen. Der «Health-Club», der «Vergnügen und Schmerz» verspricht, schaffte es zum zweiten Mal nicht aus den Startlöchern. Stattdessen kam Omikron mit den bekannten Folgen. Die Fixkosten werden allmählich zur Hypothek.

Keine Unterstützung vom Kanton

Auch deshalb, weil der Kanton im Lockdown nur den etablierten Standort in Thalwil finanziell unterstützte, nicht aber die neu gegründete Filiale in Zollikon. «Wir waren während des gesamten Umbaus von Januar bis Oktober 2020, der wegen Corona auch noch massiv verzögert wurde, auf uns alleine gestellt – und sind es heute noch.» Die Mund-zu-Mund-Propaganda habe zwar einige Kunden angelockt, sagt die junge Besitzerin, «aber wegen der Pandemie machte es wenig Sinn, viel Geld für Marketingmassnahmen auszugeben – wir konnten uns das schlicht nicht leisten und müssen ja nach wie vor damit rechnen, dass ein weiterer Lockdown kommt.»

Im Club gehen zwar fast jeden Tag frühmorgens die Lichter an und erst spätabends wieder aus, was das Redaktionsteam der «Zolliker News» aus dem Flurfenster seiner Wohnung seit Monaten in Echtzeit mitverfolgen kann. Trainierende sind jedoch kaum zu sehen, an den meisten Tagen bleibt der Health-Club leer. Die Besitzer halten sich mit den Einnahmen des Thalwiler Centers über Wasser – in der Hoffnung, dass die Pandemie bald ein Ende findet.

«Break the routine»

Dass ihre Website in deutscher und englischer Sprache daherkommt, deutet darauf hin, dass die Farouks mit ihrem Angebot ein kaufkräftiges, urbanes Publikum ansprechen wollen, wie es in Zollikon und Umgebung durchaus vorhanden ist. Eine Stunde Personal Training kostet 200 Franken, 10 Stunden sind für 1750 Franken zu haben, wer ein 30er-Abo bucht, zahlt 5100 Franken.

Der USP bestehe darin, dass sich verschiedene Personal Trainer mit unterschiedlichen Kompetenzen um die Klientinnen und Klienten kümmern und sich dabei abwechseln, um jede Eintönigkeit zu vermeiden. «Im Unterschied zu anderen Fitnessclubs bieten wir mehr Platz und eine geschützte Privatsphäre; bei uns halten sich nie mehr als drei bis vier Kunden gleichzeitig im Center auf», sagt Anna-Cesarina. Zumal nur auf Voranmeldung trainiert werden kann. 

Die Klientel wird ermuntert, die gewohnten Bahnen zu verlassen: «Bist Du bereit für das Aussergewöhnliche?», heisst es auf der Website – «break the routine» ist das Leitmotiv. Sich von den «Ketten des Alltags zu befreien» und «zu mehr Lebensenergie zu kommen», das erklärte Ziel.

Professionell gedrehte Videos, untermalt von aufpeitschender Musik vermitteln eine Vorstellung davon, was man auf dem Weg zu mehr «Health» unter «Pleasure and Pain» zu erwarten hat. Und zu welchem Idealtypus man sich dank intensivem Training entwickeln kann:

Eine Attraktion fehlt der Zolliker Filiale vorderhand im Vergleich mit dem Thalwiler Stammklub. Dort kann man sich aufrecht in eine «Ganzkörpermaschine» namens «CryoSpace» stellen, draussen bleibt nur der Kopf. Mit Flüssigstickstoff wird der Körper während 3 Minuten auf minus 195 0Celsius abgekühlt. «Der Organismus meint, er erfriere und versorgt vor allem die lebenswichtigen Organe mit Blut», schildert Anna-Cesarina den archaischen Vorgang, der ihr beim ersten Mal Angst gemacht habe, «doch wenn man herauskommt, fliesst das Blut durch den ganzen Körper und regt den Stoffwechsel an.» – Break the routine. (rs)

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