Die Hortkinder wurden ausgeladen

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19. Januar 2023 – Am Mittwoch wurde in der Aula Buechholz das Kindertheater «Ich heisse Name» aufgeführt. Zur Überraschung vieler untersagte Urs Rechsteiner, Leiter Bildung, dass die Buben und Mädchen des Betreuungshauses Oescher diese Aufführung gemeinsam besuchten. (1 Kommentar)

19. Januar 2023 – Am Mittwoch wurde in der Aula Buechholz das Kindertheater «Ich heisse Name» aufgeführt. Zur Überraschung vieler untersagte Urs Rechsteiner, Leiter Bildung, dass die Buben und Mädchen des Betreuungshauses Oescher diese Aufführung gemeinsam besuchten.

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Brigitta Weber und Julius Griesenberg an den Hellraum-Projektoren (Fotos: bl)

Anfangs Woche sah es noch so aus, als würden 34 Kinder des Betreuungshauses Oescher am Mittwochnachmittag gemeinsam ins Theater in der Aula Buechholz gehen. Auf dem Programm stand das Stück «Ich heisse Name», in dem ein «spielerischer Umgang mit der eigenen Identität und den Geschlechterrollen für alle ab 5 Jahren» probiert wird. Das Hauptfigürchen «Name» legt sich nicht auf einen eindeutig weiblichen oder männlichen Namen fest. Organisiert hatte die Aufführung der Kinder-Kulturkreis Zollikon, dessen Angebote das Betreuungshaus regelmässig nutzt.

Konsternation bei den Eltern

Doch diesmal war plötzlich alles anders. Am Dienstag bekamen die Eltern der Hortkinder Post von der Schule Zollikon. Es wurde ihnen mitgeteilt, dass der Theaterbesuch abgeblasen sei; man habe sich entschlossen, die 34 Kinder wieder abzumelden. Begründung? Keine. Um so grösser war die Konsternation auf Seiten verschiedener Eltern.

Wie immer in solchen Situationen schossen die Gerüchte ins Kraut. Sollte diese Absage mit dem Thema des Stücks zu tun haben? Schliesslich geht es um Geschlechterrollen und Identität, was schon im Prospekt ersichtlich wird: «Ein Strichmännchen ist entstanden. Oder ist es ein Strichweibchen? Hat ein Figürchen ein Geschlecht?»

Hatten da konservative Eltern ihr Veto eingelegt und sich quergestellt? Sollte gar die «Weltwoche» ihre Finger im Spiel haben, die ja vor einiger Zeit ihre Redaktion und den Verlag nach Zollikon gezügelt hat und Debatten über Geschlechterrollen oder gendergerechte Sprache in aller Regel als Ausbund von «Gender-» oder «Woke-Wahnsinn» abqualifiziert?

«Hassmails aus der ganzen Schweiz»

Der Leiter Bildung Urs Rechsteiner erklärt auf Anfrage der «ZollikerNews», wie es zu diesem brüsken Entscheid kam. Vorausgegangen, so Rechsteiner, seien konkrete Erfahrungen mit Medien wie der «Weltwoche», aber auch mit «TeleZüri». In diesen Beiträgen sei die Schule Zollikon in Zusammenhang mit «Gender- und Woke-Themen» erwähnt worden.

Beispielsweise in einer Kolumne von Ex-Nationalrat Christoph Mörgeli in der «Weltwoche» vom 20. Oktober 2022 unter dem Titel «Zollikons nonbinäre Primarschüler». Darin mokierte er sich, dass eine Zolliker Unterstufenlehrerin ihre Klasse im Englischunterricht dazu aufforderte, in einem Arbeitspapier ihr Geschlecht aus drei Kategorien zu wählen: «I am a girl / boy / nonbinary».

Dieser Artikel, fährt Rechsteiner fort, habe ihnen zahllose harsche Reaktionen, ja Hassmails, aus der Gemeinde, aber auch aus der ganzen Schweiz beschert. Themen dieser Art würden tatsächlich extrem polarisieren. Die Schulpflege vertrete die Ansicht, dass es «nicht Aufgabe der Schule ist, zu solchen Themen Stellung zu nehmen». Denn die Volksschule sei «grundsätzlich keiner konfessionellen oder gesellschaftspolitischen Bewegung verpflichtet», sie solle sich «neutral» verhalten. Sollten Kinder und Jugendliche jedoch entsprechende Fragen stellen, würden die Lehrpersonen diese selbstverständlich beantworten. All das habe man den Eltern in einem Schreiben vom 28. Oktober 2022 mitgeteilt.

Hätte man im aktuellen Fall nun die Kinder des Betreuungshauses Oescher in das Theaterstück «Ich heisse Name» geschickt, hätte man sich im Widerspruch zu den eigenen Ankündigungen im Elternbrief befunden. Es hätte bedeutet, dass die Schule die Gender-und Woke-Thematik aktiv aufgegriffen und damit Stellung bezogen hätte.

Kreative, witzige Aufführung

Die Frage, ob er denn das Stück selber gesehen habe, verneint Rechsteiner. Wer das knapp einstündige Theater mit Papierfigürchen, die via Hellraum-Projektor an die Leinwand geworfen werden, und die Schattenspiele anschaut, erlebt eine inspirierende Aufführung, die sich kreativ, auch witzig und undogmatisch der Geschlechterrollen annimmt.

Fragen wie «Darf ich Junge sein und ein Kleid anziehen?» und Aussagen wie «Bei mir zuhause kocht Papa», «Bei mir zuhause kocht Mama» und «Bei mir zuhause kochen beide nicht gut, nur ich koche gut» bringen die knapp 30 anwesenden Knaben und Mädchen und wohl auch die 12 Erwachsenen augenscheinlich dazu, über ihre eigenen Erfahrungen nachzudenken. Das Gemurmel im Publikum legt beredtes Zeugnis davon ab.

Am Ende der Aufführung erklärt eine Elfjährige, sie habe es besonders toll gefunden, dass das Hauptfigürchen «Name» alles machen könne: Nähen und Holz hacken, Rock und Hose tragen, in rosa und hellblau herumlaufen. (bl)

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«Name» bekommt ein schwarzes Kleid
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«Name» lebt in einer bunten Welt
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«Name» wird geschmückt

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Den Entscheid der Schulpflege und dessen Begründung erachte ich als besonnen, sachgerecht und in der offensichtlich aufgeheizten Stimmung als entspannend.
Ich frage mich, ob es tatsächlich das dringende Bedürfnis eines fünfjährigen Kindes ist, sich mit der Geschlechterfrage herumzuschlagen. Vielleicht sind es wir Erwachsene, die in Panik geraten, wenn ein Knabe lieber mit Puppen spielt oder ein Mädchen ausschliesslich Fussballspielen will. Allerdings wage ich zu behaupten, dass das Mädchen von den «aufgeschlossenen» Eltern als «cool» empfunden wird. Und der Puppen spielende Knabe? Ich vermute hier ein Ungleichgewicht.
Vielleicht wäre es an der Zeit, Mädchen in Holzwerken und Buben im Nähen zu unterrichten. Ich habe eine Schule besucht, in der alle Fächer gemischt zu unterrichten selbstverständlich war, (wir hatten auch behinderte Kinder in der Klasse). Es kam vor, dass ein Knabe besser nähen konnte als ein Mädchen, welches dafür grossartige Holzarbeiten schreinerte (ich schreinere und nähe noch heute leidenschaftlich, Bügeln und Kochen gehören zu meinem Haushalts-Alltag). Ob es reicht, mit ein paar Hellraumprojektor-Folien oder einer Frage in der Unterstufe nach der Geschlechterzugehörigkeit eine gesellschaftliche Entspannung in der Geschlechterfrage zu erreichen, wage ich zu bezweifeln.

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