«Gott ist keine Spiesserin»
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10. März 2025 – Ein grosses Publikum erlebte am letzten Donnerstag eine quirlige Pfarrerin Diana Päpcke im Gespräch mit Barbara Lukesch. Besonders unterhaltsam waren ihre Ausführungen zur Angewöhnung in der Schweiz und der rasante «Preacher Slam», den sie zum Schluss vortrug.

VON RENE STAUBLI
Sie sprach Hebräisch und Arabisch, als sie vor gut zehn Jahren in die Schweiz kam. Doch diese Kenntnisse nützten ihr nichts, als sie im Coop einkaufen ging und an der Kasse nur «Bahnhof» verstand: «Sammletsi Märkli?» – «Wänndsi es Seckli?» Da habe sie sich einen Schweizerdeutschkurs auf CD gekauft und geübt und geübt: «Mäntig, Ziischtig, Dunschtig, en knackig-früsche Salat.» Und siehe da, es ging rassig vorwärts. Diana Päpcke beglückte das Publikum denn auch mit einer interessanten Mischung aus Hochdeutsch und Dialekt.
Barbara Lukesch, die einen ähnlichen sprachlichen Hintergrund hat, befragte die 34jährige reformierte Pfarrerin zunächst nach ihrem Werdegang: «Gab es eine familiäre Vorbelastung?» In der Tat: der Onkel war schon Pfarrer, die Eltern waren weltlicher unterwegs, der Vater Garagist, die Mutter ebenfalls im Betrieb.
«Da wurde Kundenfreundlichkeit gross geschrieben», sagte Barbara Lukesch, «hat Dich das geprägt?» Absolut, sie habe schon als Sechsjährige ihre Aufgaben im elterlichen Betrieb gehabt: «Das Telefon abnehmen, die Nummer aufschreiben, zum Vater oder zur Mutter rennen, um sie an den Apparat zu holen.»
Als es dann darum ging, sich selber für einen Beruf zu entscheiden, habe sie es plötzlich gespürt und gewusst: «Ich muss Theologie studieren.» «Werde aber nicht so heilig», habe ihr die Mama noch mit auf den Weg gegeben. Das sei sie keineswegs geworden, aber sie verspüre eine grosse Befriedigung und Dankbarkeit, Teil des «himmlischen Bodenpersonals» zu sein.
Eine «Hebamme des Glaubens»
Natürlich durften kritische Fragen nicht fehlen. Barbara Lukesch sprach den Mitgliederschwund in der Kirche an, langweilige Predigten, die viel mit der Bibel, aber oft kaum etwas mit dem Alltag der Gottesdienst-BesucherInnen zu tun hätten, die vielen Missbrauchsskandale in beiden Kirchen sowie die Tatsache, dass die Pfarrerin dann nachgefragt werde, wenn es ums Sterben gehe, aber kaum mehr für Hochzeiten – da kämen immer mehr private Anbieter zum Zug. Wie sie denn mit all diesen Problemen zurechtkomme?
Das Publikum merkte sofort: Diana Päpcke hat einen sehr unaufgeregten Bezug zur täglichen Realität. Die Missbrauchsfälle verurteilte sie mit klaren Worten: «Das ist ganz furchtbar, was da immer wieder geschieht, es braucht eine Aufarbeitung, eine Kultur des Hinschauens und mehr Prävention, die Scham muss die Seite wechseln.» Was den Mitgliederschwund und die leeren Bänke angehe, so könne man niemanden zwingen, in die Kirche zu kommen oder in der Kirche zu bleiben, aber jene, die den Weg finden, sollten sich «willkommen, unterstützt, ermutigt, getröstet und inspiriert fühlen – ich bin gerne eine Hebamme des Glaubens.»
Dass in der Kirche weniger geheiratet werde, sei zwar schade, aber es gebe ja immer noch genug schöne Aufgaben. Sie möge Abdankungsfeiern und Bestattungen sehr. «Es ist ein schöner Dienst an den Angehörigen, sie auf diesem Weg zu begleiten und die richtigen Worte zu finden.» Dass sie das so gerne mache, habe auch mit schönen Erinnerungen zu tun: Sie habe während der Ausbildung einen Bestatter begleiten dürfen. «Wir haben die Toten zuhause oder im Pflegeheim abgeholt, sie aufgebahrt, ihnen die Haare gewaschen, die Leichenstarre gelöst, für die Angehörigen den Abschied gestaltet. Dass sie uns dafür so dankbar waren, hat mich sehr berührt.»
Frauen reden Tacheles
Zuletzt kam die Rede auch auf ein neues Format, das Diana Päpcke derzeit erprobt, einen Gesprächskreis unter Müttern, den sie «Talk Tacheles» nennt. Da treffen sich Frauen, die mitten im Leben stehen und sich austauschen wollen – über Konflikte in der Familie, Überlastung, Zukunftsängste angesichts der Weltlage, Tod und Abschied. Sie habe selten «so tiefgründige Gespräche erlebt», was wohl auch daran liegt, dass sich die Beteiligten eine absolute Schweigepflicht auferlegen. «Das ist ein sackstarkes Format», sagte die Pfarrerin.
Nicht ums Schweigen, sondern ums Reden ging es am Schluss der Veranstaltung. Diana Päpcke verfügt als Norddeutsche über ein geschliffenes Mundwerk, wie geschaffen für die Kunstform «Poetry Slam», bei der es darum geht, in einem Wettbewerb vor Publikum mit Texten «witzig, spritzig und frech» gegeneinander anzutreten.
Als Pfarrerin wählte sie die Sparte «Preacher Slam», wo Glaubensfragen im Zentrum stehen. Sie nahm an einem Wettbewerb in Höngg teil, kam als letzte dran, war vor Nervosität «auf einer emotionalen Achterbahnfahrt», bekam dann aber von den Juroren lauter 10er und 9er und gewann. Sie trug dem dankbaren Publikum im Café am Plus ihr Meisterstück mit dem Titel «Gott ist keine Spiesserin» vor. Der Applaus war überwältigend.
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