Herbstzauber am St. Galler Federispitz

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Edwin van der Geest: «Im Spätherbst bieten Südhänge noch lange wunderbare Wander-Erlebnisse. Der frühe Schnee bleibt nie lange liegen, und die Sonne wärmt Körper und Seele. Ein Klassiker ist für mich die Bergroute auf den Federispitz oberhalb von Weesen.» (1 Kommentar)

Kurz nach sieben Uhr laufen wir beim Kapuzberg los. Die ersten Sonnenstrahlen dieses Sonntagmorgens lassen den Herbstwald rötlich schimmern, nach unten öffnet sich ein friedvoller Blick auf den stillen Walensee. Der Pfad steigt schnell an, der holprige Nagelfluh unter den Füssen zwingt zu aufmerksamem Gehen. Es wird rasch wärmer, unsere Anoraks verschwinden im Rucksack.

Die Sonne geht auf über dem Walensee (Fotos: Edwin van der Geest)
Die Sonne geht auf über dem Walensee (Fotos: Edwin van der Geest)
Die Herbstbäume leuchten im Morgenrot
Die Herbstbäume leuchten im Morgenrot

Der Weg steigt über Wiesen und durch lichten Wald zum Unter Nätschen. Nach einer knappen Stunde erreichen wir den breiten Gratrücken bei der Alp, wo sich das Blickfeld um die Linthebene erweitert. Leider verhindert hier der starke Föhn die erwünschte Trinkpause auf dem Sunnebänkli an der Stallwand. Wir steigen also noch etwas weiter zum Talkessel von Ober Nätschen, wo wir rasch ein windstilles Plätzchen der Sorte «T-shirt only» finden. Wir studieren fasziniert die Nagelfluhformationen des unteren Federigrats. Mit dem Schattenwurf der tiefstehenden Novembersonne wirken sie bizarr.

Nagelfluhplatten und -formationen wohin das Auge reicht. Im Hintergrund Mattstock und Säntis
Nagelfluhplatten und -formationen wohin das Auge reicht. Im Hintergrund Mattstock und Säntis

Frisch gestärkt bewältigen wir den steilen Pfad zum Federigrat und freuen uns dort über die Sicht zum Zürichsee. Beim Blick hinunter in die schattigen Nordflanke erinnern wir uns schmunzelnd daran, dass wir dort im Mai noch jämmerlich im tiefen Neuschnee gescheitert sind.

Der weitere Verlauf über den Grat bis zum Federispitz bietet viel Fernsicht, aber setzt uns auch wieder dem Wind aus. Links die Linthebene, vor uns das Zürcher Oberland und dahinter der Bodensee, der Säntis und die Churfirsten im Osten und schliesslich der Alpenkranz vom Rätikon bis zum Berner Oberland im Süden.

Der Gipfel bietet eine nette Sitzbank, sodass die Znünipause feudal ausfällt. Rolf studiert inzwischen nochmals die Nordflanke, die hier fast senkrecht abfällt – sicher liegend auf der besonnten Grasseite.

Kritische Blicke in die Nordflanke, dahinter Speer und Säntis
Kritische Blicke in die Nordflanke, dahinter Speer und Säntis

Für den Abstieg wählen wir den Südgrat, der einen sicheren Tritt erfordert. Er führt zunächst zu einem hübschen Gipfelchen, dem Plättlispitz (1764). Weit unten blinzelt der Walensee. Der Gratweg ist stellenweise etwas ausgesetzt, aber an der heikelsten Stelle mit Ketten gut gesichert. Es macht Spass, beidseitig die freie Sicht zu geniessen. Kurz vor Unter Nätschen treffen wir auf die Aufstiegsroute.

Die speziellen Gratformationen und der Blick auf Kärpf, Hausstock und Glärnisch
Die speziellen Gratformationen und der Blick auf Kärpf, Hausstock und Glärnisch

Nun erfolgt der Rest des Abstiegs über die immer noch erstaunlich grünen Wiesen und durch den lichten Wald. Der erste andere Berggänger kreuzt hier unseren Weg. Unser Tempo verlangsamt sich – die sanfte Sonne und der blaue Himmel sorgen für derart schöne Landschaftsansichten, dass wir immer wieder stehenbleiben und fotografieren müssen.

Eines dieser Fotos, die man sonst nur im Kalender findet
Eines dieser Fotos, die man sonst nur im Kalender findet

Solche Naturerlebnisse möchte man für ewig festhalten können. In allen Gelb- und Rotschattierungen leuchten die formschönen Laubbäume vor dem dunklen Blau des Himmels, atemberaubend schön. Wir meinen immer noch schönere Exemplare zu entdecken. Dazwischen schweift der Blick auf die Glarner Dreitausender, die scharfen Konturen der Churfirsten und den schöngeformten Walensee. Wir sind echt angetan von dieser kitschigschönen Herbstwelt.

Alles Schöne kommt zu einem Ende. Aber ich habe die Bilder noch scharf vor meinem inneren Auge, als ich pünktlich um 12 Uhr im Rössli in Zollikon zum Brunch erscheine.

N.B. Vier Wochen später wiederhole ich die Tour im Alleingang, nunmehr ohne Blätter an den Bäumen – dafür mit viel Hochnebel. Auch wunderbar – die Südseitenbesteigung des Federispitz ist ein Garant für spezielle Spätsaisonerlebnisse.

Das Nebelmeer
Grandiose Sicht aufs Nebelmeer

Anreise: Einen Wermutstropfen gibt es: Leider ist die Tour mit ÖV etwas anstrengender. Sie würde in Weesen beginnen und umfasst dann 400 Höhenmeter mehr… aber es gibt ja Taxis.

Anforderung: 9 km, 1084 m ­aufwärts / 1084 m abwärts, Wanderzeit 4 ¾ Stunden

Route: PDF von SchweizMobil

Edwin van der Geest

Der Zolliker Edwin van der Geest ist ein begeisterter Wanderer. Er beschreibt in dieser Kolumne jeden Monat eine seiner Lieblingstouren.

1 KOMMENTAR

Amächelig beschrieben und fotografiert, danke! Und auch der benachbarte «kleine Bruder» des Federispitz, der Chüemettler, ist eine Wanderung wert!

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