«Impfpapst» kündigt Impfung für Kinder an

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10. Dezember 2021 – Rund 80 Gäste verfolgten am Donnerstag im «Café am Puls» ein spannendes und sehr persönliches Gespräch zwischen der Journalistin Barbara Lukesch («Zolliker News») und Christoph Berger, dem Präsidenten der Eidgenössischen Impfkommission.

Die Arbeitsbelastung sei seit Wochen sehr gross, sagte Berger. Er esse zuweilen zwischen zwei Zoom-Meetings, führe bis spätabends Telefonate und studiere im Morgengrauen Unterlagen. Ein freies Wochenende habe er schon lange nicht mehr gehabt. Seinen eigentlichen Job als Chefarzt am Zürcher Kinderspital müsse er ein Stück weit delegieren, und er habe auch zu wenig Zeit für seine Familie.

Barbara Lukesch wollte wissen, wie er mit der Kritik umgehe, dass die Impfkommission das Boostern, also die dritte Impfung, zu lange als unnötig taxiert und dadurch wertvolle Zeit im Kampf gegen die Pandemie verloren habe.

«Die Rahmenbedingungen haben sich auf nicht vorhersehbare Weise verändert», erklärte Berger. Im Oktober habe man noch gedacht, die Bevölkerung sei gut geschützt, doch dann hätten die Infektionen sprunghaft zugenommen. Deshalb habe man entschieden, die über 65-Jährigen zu boostern, um schweren Erkrankungen vorzubeugen.

Anschliessend seien die Fallzahlen weiter stark gestiegen, Ungeimpfte hätten die Spitäler gefüllt. Der politische Druck, den Booster auch für unter 65-Jährige zuzulassen, habe zugenommen. Angesichts dieser Entwicklung habe man die ursprüngliche Meinung geändert und dem Booster für unter 65-Jährige zugestimmt – «nicht um schweren Erkrankungen vorzubeugen, sondern um zu erreichen, dass in der Gesellschaft weniger Viren zirkulieren, weniger Infektionen auftreten und die Spitäler entlastet werden».

Kinder fragen, ob sie geimpft sein wollen

Er hätte nicht gedacht, dass sich so viele Erwachsenen nicht impfen lassen würden, räumte Berger ein. Die Forderung, dann halt einfach die Kinder zu impfen, halte er für problematisch. Es gehe nicht an, «sie zu Objekten zu machen». Kinder würden vor allem durch die einschränkenden Massnahmen im Alltag wie das Verbot des Präsenzunterrichts geplagt: «Das Virus ist für sie keine grosse Bedrohung.»

Dessen ungeachtet erwartet Berger demnächst die Zulassung der Kinderimpfung durch Swissmedic. Die Impfkommission werde anschliessend eine Empfehlung abgeben, unter welchen Umständen Kinder von 5 bis 11 Jahren geimpft werden sollten.

Gegen eine Impfpflicht

Zum heiss diskutierten Thema einer allgemeinen Impfpflicht sagte Berger, er sehe darin keinen Sinn, das führe nur zu einer zunehmenden Polarisierung. Es sei zielführender, die Skeptiker vom Nutzen der Impfung zu überzeugen Das sei nicht einfach, «weil viele neunmal an sich selber denken und nur einmal an die anderen». Der weitverbreitete «übersteigerte Individualismus» mache ihm Mühe.

Die nötige Überzeugungsarbeit zu leisten, sei aber nicht nur eine Aufgabe des Staates. Es helfe, wenn sich Sportler, Firmen oder Mitglieder von Peergroups für die Impfung stark machten. Im Zürcher Kinderspital habe man dank Teamevents und dem Appell an die Eigenverantwortung eine sehr hohe Impfquote erreicht. Einen Impfzwang für das Pflegepersonal lehne er ab: «Das würde nur dazu führen, dass die Leute kündigen, was niemandem etwas nützt – ich habe lieber ungeimpftes Personal als gar keines.»

Zunehmender politischer Druck

Der politische Druck habe in letzter Zeit zugenommen. «Man vergleicht dauernd, was andere Länder machen und wie dort die Impf- und Boosterquoten aussehen». Sehr schnell werde gesagt, «wenn die anderen das machen, müssen wir uns anschliessen». Solche Forderungen kämen nicht selten von «selbst ernannten Experten».

Er halte es für wichtig, dass man sich in der Schweiz an bewährte Regeln und Abläufe halte. So äussere sich die wissenschafltliche Taskforce nicht zu den Impfungen, das sei ausschliesslich Sache der Impfkommission, die sich ihrerseits auf dieses Thema beschränke.

Auf seinen Durchhaltewillen angesprochen, sagte Berger, er würde als Präsident der Impfkommission nur aufhören, «wenn ich mit unseren Empfehlungen bei der Politik nicht mehr durchdringen würde». Die Impfkommission setze alles daran, gegen die Spaltung in der Gesellschaft anzugehen: «Wir versuchen permanent, unseren Standpunkt zu erklären».

Das sei zweifellos nicht immer gelungen, räumte Berger Schwächen in der Kommunikation ein: «Wir waren oft zu passiv und haben auf Fragen gewartet, statt proaktiv Meetings mit Journalisten oder Politikern zu veranstalten und mit ihnen intensiv über anstehende Themen und Entwicklungen zu diskutieren.» Auf diese Weise hätte man die öffentliche Diskussion steuern können, statt ihr ausgeliefert zu sein.

«Wir kommen da wieder raus»

Um eine Prognose gebeten, sagte Berger, er sei überzeugt, dass das Virus bleibe – «ob geimpft oder nicht geimpft, alle werden mit ihm früher oder später in Kontakt kommen». Die vulnerablen Menschen werde man auch in Zukunft schützen müssen, die andern würden vom Virus geboostet – «ich bin überzeugt, wir kommen da wieder raus».

Das Publikum reagierte mit grossem Beifall auf Bergers Ausführungen, der trotz der angespannten aktuellen Lage so etwas wie Zuversicht verbreitete. (rs)

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