Von der Moral und der Jugend

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17. April 2023 – Zu dritt auf einem geklauten Velo die Strasse bis zur nächsten Kreuzung schaukeln und es dann an einem Laternenpfahl zurücklassen. Selbstgedrehte Zigaretten degustieren. Stundenlang mit dem besten Freund den Schulweg der Angebeteten belauern, um ihr eine Sekunde in die Augen zu blicken.

Graffiti
Liebesbeweis aus der Spraydose (Foto: Pixabay)

EIN BEITRAG DES MOJUGA-TEAMS

Was wir als Jugendliche getan haben, war bestimmt nicht immer sinnvoll, aber es war, was unsere Jugend ausmachte: Zeit haben, aber keinen Raum, Suchen und nicht wissen wonach, das Leben spüren, ohne an Achtsamkeit auch nur zu denken. Dass wir damit unserer Gesundheit, unserer Würde oder unseren Mitmenschen schaden, war nicht mehr als eine gut verdrängte Ahnung. Schon gar keine Absicht.

Als Erwachsene nerven uns Spuren, die von der jugendlichen Reise ins Ungewisse zeugen. Uns nervt die Red-Bull-Dose auf der Treppe der Tiefgarage, das in den Baumstamm geritzte Herz und noch mehr der weit unromantischere Liebesbeweis aus der Spraydose an der Unterführung, uns nervt der angekokelte Busch beim Picknickplatz und die umgestossene Plakattafel am Seeufer. Wir denken: Wer tut denn so was? 

Lawrence Kohlberg, Professor der Erziehungswissenschaft an der Harvard University, sagt: Das tun Menschen, deren moralische Entwicklung noch nicht weit genug vorangeschritten ist, um die Konsequenzen des eigenen Tuns für andere in einer grösseren zeitlichen Entwicklung zu erfassen. Das trifft natürlicherweise auf Jugendliche zu. Wenn es gut läuft, werden sie die letzten Stufen der moralischen Entwicklung zu gegebener Zeit schon noch erklimmen.

Bei vielen aktuell Erwachsenen ist es nicht gut gelaufen. Davon zeugen Kippenhaufen am Rand eines Parkplatzes und liegengelassene Zeitungen unter Bahnhofsbänken, davon erzählen Berge von Altkleidern aus Massenproduktion, die Brockis, Sammelcontainer und Müllsäcke füllen, und davon wissen Jugendliche, die dagegen protestieren, dass die Erwachsenen ihre Lebensgrundlage zerstören.

Die Achtlosigkeit im Umgang mit Allgemeingut, Impulsivität und eine hedonistische Grundhaltung sind also nicht ausschliesslich Eigenschaften einer Jugend (und schon gar keiner misslungenen), sondern Zeichen einer Unreife, die auch bei Erwachsenen vorkommt. Die letzte Stufe der Moralentwicklung, so Kohlberg, die eine Orientierung an allgemeingültigen ethischen Prinzipien meint und für ein gesundes Zusammenleben in einer Gesellschaft notwendig ist, haben auch sie (noch) nicht erreicht.

Über die grossen Zusammenhänge sprechen

Jugendliche brauchen uns Erwachsenen, damit ihre moralische Entwicklung an dieser Stelle nicht abbricht. Doch eine sinnvolle Begleitung besteht nicht darin, Jugendliche zu ermahnen, zu tadeln oder ihnen Rücksichtslosigkeit vorzuwerfen. Vielmehr braucht es in dieser Zeit eine sorgfältige Begleitung durch Menschen, die sich vom Verhalten Jugendlicher nicht persönlich angegriffen fühlen und aus eigener Unreife heraus nicht selbst destruktiv reagieren.

Wir Jugendarbeitenden haben deshalb auch nicht den Auftrag, für Sauberkeit auf Zollikons Strassen zu sorgen, indem wir an die Jugendlichen appellieren, sie zu einem Perspektivenwechsel anregen und ihnen vor Augen führen, dass der herumliegende Müll andere stört. Obwohl wir auch das tun. Viel wichtiger scheint uns aber, Littering zum Anlass zu nehmen, um mit ihnen über die grossen Zusammenhänge zu sprechen, um ihnen zuzuhören und ihre Ängste, ihren Ärger und ihre Perspektiven in dieser Gesellschaft zu verstehen. Es sind solche Gespräche, die ihnen helfen, ihre Moral dahingehend zu entwickeln, dass sie dereinst als aufgeklärte, mündige und mitdenkende Bürgerinnen und Bürger weit mehr für das Allgemeinwohl tun, als nur ihren Müll zu entsorgen.

Die MOJUGA Stiftung ist seit 2016 von der Gemeinde Zollikon mit der Jugendarbeit beauftragt. Alexandra Matulla ist Ansprechpartnerin für die Behörden. Michael Germann und Moritz Engi sind für die Jugendlichen da. Sie hören ihnen zu, unterstützen sie und werden deshalb auch bei Krisen ins Vertrauen gezogen. Das Trio berichtet in den «ZollikerNews» regelmässig über Themen aus der Jugendarbeit. Informationen über das Team und die Angebote unter jugendarbeit-zollikon.ch

Das Juga-Team
Moritz Engi, Alexandra Matulla und Michael Germann (v.l., Foto: zvg)

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