Schön viel Aufwand

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Balz Spörri: «Ich wohne in Zürich, in der Nähe des Schaffhauserplatzes. Rund um diesen Platz befinden sich, ich hab’s nachgezählt, 14 Coiffeur-Salons, 3 Kleider-Boutiquen, 1 Schuhladen, 1 Fitness-Studio, 1 Tattoo-Shop sowie 6 Beauty-Studios, deren Angebot von Manicure über Bleaching bis zur Kryolipolyse reicht.»

Ich wohne in Zürich, in der Nähe des Schaffhauserplatzes. Rund um diesen Platz befinden sich, ich hab’s nachgezählt, 14 Coiffeur-Salons, 3 Kleider-Boutiquen, 1 Schuhladen, 1 Fitness-Studio, 1 Tattoo-Shop sowie 6 Beauty-Studios, deren Angebot von Manicure über Bleaching bis zur Kryolipolyse reicht.

Gutes Aussehen ist uns wichtig. Sehr sogar, wie kürzlich eine Studie mit 93’000 Teilnehmern in 93 Ländern ergab: Rund einen Sechstel unserer Lebenszeit verbringen wir nämlich damit, unser Erscheinungsbild zu pflegen. Dazu zählen etwa Körper- und Haarpflege, das Schminken, die Auswahl der Kleider, sportliche Aktivitäten oder das Befolgen einer Diät.

Frauen, so zeigt die Studie mit Schweizer Beteiligung, verbringen im Durchschnitt fast vier Stunden täglich mit der Pflege ihres Äusseren, Männer nur unwesentlich weniger, nämlich 3,6.

Nun ist es nicht so, dass wir die ersten Menschen wären, die Wert auf ihr Aussehen legen. Die Neandertaler nutzten schon vor 250’000 Jahren Ocker als Schmuckfarbe. Und um das Jahr 100’000 v. Chr. kamen erste Kettchen aus Schneckenhäusern und Muscheln in Mode.

Aus evolutionärer Sicht ist die Pflege des Äusseren absolut sinnvoll, insbesondere für Frauen und Männer im reproduktionsfähigen Alter. Denn ein attraktives Aussehen signalisiert Gesundheit und gute Gene, was mehr potentielle Partner anlockt.

Auch heute sind es Menschen um die 20, die besonders viel Zeit für Schönheitspflege aufwenden. Danach geht der Aufwand zurück. Allerdings: Nach 60 steigt er sowohl bei Frauen wie bei Männern wieder steil an. Vermutlich um die Spuren des Älterwerdens abzumildern.

Etwas unterscheidet uns jedoch fundamental von sämtlichen früheren Generationen: die sozialen Medien. Nie zuvor konnten (oder mussten) wir uns ständig mit dem Aussehen von so vielen anderen Menschen vergleichen.

Das erhöht den Druck. Die Studie belegt denn auch, dass Nutzer von sozialen Medien besonders viel Wert auf ihr Äusseres legen. Ob das gut ist?

Vielleicht sollten wir nicht vergessen, worauf schon der griechische Dramatiker Euripides hinwies: «Was nützt ein schöner Körper, wenn in ihm nicht eine schöne Seele wohnt.»

Studie: Predictors of enhancing human physical attractiveness: Data from 93 countries

Balz Spörri (geb. 1959) lebt als Journalist und Autor in Zürich.

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