Von einem Gemeinderat, der gestaltet

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23. März 2021 – Warum lässt sich in Zollikon kaum etwas bewegen? Warum scheitern in unserer Gemeinde so viele Projekte? Beugi-Areal, «Boulevard Zollikerberg», Seeanlage, «Energiestadt» – so viele Träume, alles nur Schäume. Zollikon wird sicherlich gut verwaltet, aber von der Politik nur marginal gestaltet. Ein Kommentar von René Staubli.

Gemeindehaus
Gemeindehaus: Stillstand hinter altem Gemäuer (Foto: rs)

Fünf Gründe sind ursächlich dafür, dass sich die Gemeinde seit Jahren auf ihren Standortvorteilen ausruht, statt noch mehr daraus zu machen: Sparmentalität, fehlender politischer Wille, interne Strukturprobleme, Ignoranz gegenüber drängenden Themen und ein Mangel an MacherInnen.

Sparen über alles

Sparen geht in unserer Gemeinde über alles. RGPK-Chef Viktor Sauter (FDP) redet der Bevölkerung bei jeder Gemeindeversammlung ins Gewissen. Inzwischen kann man sich fast nicht mehr vorstellen, dass eine überzeugende Investition beim Stimmvolk eine Chance hätte, wenn dafür der Steuerfuss erhöht werden müsste. Der Gemeinderat hat sich freiwillig in Ketten gelegt und eine Investitionsgrenze von 64 Millionen Franken pro Amtsperiode oder 16 Millionen Franken pro Jahr beschlossen. Vor vier Jahren ist er mit dem Ziel angetreten, auf nicht zwingend notwendige Investitionen zu verzichten oder sie zu verschieben – nachzulesen in seinen Legislaturzielen 2018–2022. Mit permanent angezogener Sparbremse verwirklicht man keine grossen Projekte.

Fehlender politischer Wille

Offensichtlich fehlt es im Gemeinderat am politischen Willen, visionäre Projekte für kommende Generationen umzusetzen. Das zeigt sich besonders deutlich bei der Seeufergestaltung. Wir haben Seeanstoss, aber wir verzichten auf die Bewirtschaftung dieses einmaligen Privilegs. Aus Zollikon könnte eine echte Seegemeinde mit einer architektonisch attraktiven Uferzone werden, wo sich die Menschen gerne treffen und aufhalten – wenn denn jemand den Willen hätte, zu investieren und diese Vision zu verwirklichen.

Interne Strukturprobleme

Möglicherweise gibt es im Behördenapparat auch ein Strukturproblem. Es scheint an Abteilungs­leitern zu fehlen, die «vergessene Projekte» bei den neugewählten Gemeinderäten einspeisen oder sich sogar mit Nachdruck für deren Realisierung einsetzen. Was einmal in den Schubladen verschwunden ist, verstaubt dort zuverlässig.

Ignoranz

Nur schwer nachvollziehbar ist die Ignoranz der Exekutive gegenüber einem der drängendsten Probleme der Gegenwart, dem Klimawandel. Warum findet man dazu in den Legislaturzielen 2018–2022 kein einziges Wort? Dabei hätten wir Vorbilder in unmittelbarer Nachbarschaft: Die Gemeinde Küsnacht, seit 20 Jahren «Energiestadt», will schon 2040 klimaneutral sein. Oder die Solarpioniere von Zumikon, die uns seit 30 Jahren vormachen, wie man Strom von öffentlichen Dächern holt. Bei uns wird mit unerträglicher Verspätung demnächst ein «Solar-Pilotprojekt» an die Hand genommen.

Mangel an MacherInnen

Dem Gemeinderat fehlt es an MacherInnen. In den letzten vier Jahren ist es keinem Mitglied gelungen, Begeisterung und Aufbruchstimmung in der Bevölkerung zu erzeugen. Laufende Projekte kommen nur schleppend voran. Von aktiver Kommunikation kann keine Rede sein. Die Gemeinde wird gut verwaltet, aber nicht gestaltet.

Kürzlich hat das FDP-Vorstandsmitglied Martin Byland in einem Leserbrief im Amtsblatt den «Stillstand in Zollikon» beklagt. Betroffen seien «vor allem die unter der Leitung des Gemeinde­präsidenten Sascha Ullmann stehenden Projekte für die Neuüberbauung des Beugi-Areals und zur Zukunft des ehemaligen Altersheims am See». In der Sache hat Byland zweifellos Recht, aber er unterschlägt einen wichtigen Punkt: dass seine FDP im Gemeinderat in den letzten acht Jahren, in denen sich nichts bewegt hat, die absolute Mehrheit stellte.

Am 15. Mai wird gewählt. Man darf gespannt sein, welche konkreten Pläne die Zolliker Parteien und ihre KandidatInnen für die Jahre 2022–2026 präsentieren.

An der «Zukunftskonferenz» 2007 stellten sich die Teilnehmenden laut Protokoll «mit Fantasie und Kreativität vor, was es braucht, damit Zollikon in zehn Jahren zum Modellfall wird, der schweizweit in allen Aspekten des Lebens und Arbeitens als Vorbild dient.» Davon sind wir meilenweit entfernt.

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Vor allem fehlt der Wille bei den Gemeinderäten, in ihren Abteilungen auszumisten ! Abteilungsleiter und Angestellte müssen zwingend in Zollikon wohnen, damit sie ein Interesse für die „eigene“ Gemeinde entwickeln . Was interessierts einen Angestellten was hier läuft, wenn er abends nach Hause in einen anderen Kanton fährt…..

Die Finanzen haben sich in den letzten Jahren auch dank höheren Steuereinnahmen deutlich verbessert. Vor 4 Jahren war das noch anders, daher war Zurückhaltung bei den Ausgaben angebracht. Es braucht tatsächlich Macher wie z.B. Gemeinderat Urs Fellmann. Insbesondere ihm ist es zu verdanken, dass wir über ein WPZ Blumenrain verfügen. D.h. es ist weniger eine Frage der politischen Mehrheit oder des politischen Willens, sondern der richtigen Personen im richtigen Ressort mit zeitlicher Kapazität (Milizamt!). Die FDP hat sie. Visionäre Projekte sind schön und gut, aber extrem aufwendig. Mir ist wichtiger, dass eine gute Lösung für das Beugi gefunden und das Schwimmbad Fohrbach saniert wird (mit André Müller). Politik ist und bleibt das Bohren von dicken Brettern.

Als jemand, der schon langer hier lebt, kann ich den Kommentar gut nachvollziehen. Zollikon ist, wie ich Gästen gerne erzähle, ‚Pretty Close to Paradise‘. Und das kann etwas träge machen. Zeit das am 15. Mai zu ändern.

Herzlichen Dank, Herr Staubli, für diesen treffenden Kommentar. Die Gemeinde verharrt in einer unfassbaren Stagnation und verursacht mit der Sparwut riesige Kosten für die kommende Generation. Augenfällig zeigt sich das auch an den Aussenräumen und Spielplätzen: In keiner der umliegenden Gemeinden sieht es so armselig aus, wie bei uns.
Silvia Kraus-Billeter

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