21 km bis zu den Römern von Augusta Raurica

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Thomas Widmer: «Gegen Ende unserer Wanderung durchs Baselbiet und das Aargauer Fricktal sind wir müde. Trotzdem leisten wir uns kurz vor dem Ziel noch einen Schlenker – wir wollen halt in Augusta Raurica den alten Römern Grüezi sagen.»

Es gibt Ittigen, so heisst eine Nachbargemeinde von Bern. Es gibt Ittingen wie in «Kartause Ittingen», Kanton Thurgau. Und es gibt Itingen, hier starten wir. Itingen liegt im Baselbiet, es ist der Nachbarort von Sissach, die S-Bahn hat uns dort hingetragen.

Wir müssen uns zuallererst von zu viel Zivilisation freiwandern: Gewerbebauten allenthalben, die Autobahn rauscht. Immerhin ist da ein hübsches Flüsschen, die Ergolz. 

Vor uns haben wir den Limperg, unser erstes Ziel, schnell sind wir im Wald, der seine Hänge bedeckt; sowieso ist diese Route ausgesprochen waldreich. Bald kommen wir zu einer Autobahn-Unterführung, sehen am Eingang zum Tunnel das gesprayte Schwarzweissbild einer dunkelhäutigen jungen Frau in einer überdimensionierten Windjacke nach Hip-hop-Art. Die kurzhaarige Schönheit schaut halb trotzig, halb traurig – mit ihrem Geheimnis ist sie die ins 21. Jahrhundert gebeamte Mona Lisa.

Mona Lisa aus dem 21. Jahrhundert (Fotos: Thomas Widmer)
Mona Lisa aus dem 21. Jahrhundert (Fotos: Thomas Widmer)

Ein paar Spitzkehren, dann sind wir oben. Und gleich wird zur anderen Seite des Berges hin alles ruhiger und ländlicher, wir wandern fortan im Hügelland zwischen dem Tal der Ergolz und dem Tal des Hochrheins, das die Grenze zu Deutschland bildet.

Ruhige Stimmung im Hügelland
Ruhige Stimmung im Hügelland

Die Grimstelücke visieren wir als nächstes an, wie alpin der Name klingt! Wir steigern das, indem wir das unspektakuläre Pässlein zur «Grimsellücke» umtaufen. Gleich neben dem Weg steht ein Kreuz mit der Inschrift «Hans Sutter», das Geburtsjahr ist 1954, das Todesjahr ist nicht mehr lesbar. Auf dem Kreuz sitzt ein grüner Filzhut, wie ihn Jäger tragen. 

Gedenkort für den Jäger Sutter
Gedenkort für den Jäger Sutter

Im Folgenden geht es abwärts mit uns ins winzige Nusshof und weiter nach Magden, wobei wir die Region wechseln, nun sind wir im Fricktal, also im Aargau. Ein Doppelbrunnen spendet im Zentrum von Magden, wie ein Schild es anmerkt, Schwefelwasser. Ich nehme einen Schluck, merke nichts von Schwefel. Man ist hier stolz darauf, eigenes Mineralwasser zu haben aus der «Magdalenaquelle», die in sechs Brunnen gefasst ist. Was man nicht selber verbraucht, leitet man weiter als Kurwasser in den nahen Badeort Rheinfelden.

Schwefelwasser aus dem Doppelbrunnen in Magden
Schwefelwasser aus dem Doppelbrunnen in Magden

Mein Grüpplein und ich, wir haben in der «Blume» reserviert und sind froh darum, das Lokal ist an diesem Samstagmittag gut voll, eine Festgesellschaft stösst grad auf einen runden Geburtstag oder ähnlich an. Wir bestellen einen lokalen Roten, den Magdener Pinot noir «Sélection Treier». Er ist leicht und bekömmlich und leider schnell weg. Auch mit dem Essen sind wir alle sechs sehr zufrieden von den Falafel über den Wildpfeffer bis zur Pouletbrust an Morchelrahmsauce.

Feiner Genuss: Pouletbrust an Morchelrahmsauce und Nüdeli
Feiner Genuss: Pouletbrust an Morchelrahmsauce und Nüdeli

Es folgt die zweite Hälfte der Wanderung, am Rand von Magden beginnt der Weg wieder zu steigen, jetzt sind wir im Niderwald. Beim Verzweiger mit der Höhenangabe 415 Meter kommt es zu einer Spontanabweichung vom Plan, in der Direttissima durch den Frauenwald nach Kaiseraugst zu ziehen. Ronja, die eben die Karte studiert hat, sagt: «Du, da hats ganz in der Nähe ein Stift. Müssten wir da nicht hin?» Wir bereuen den Umweg, den ersten von zwei, nicht. Geborgen liegt das alte Stift Olsberg in der Talsenke am Violenbach als Ensemble von Gebäuden mit einer riesigen Stiftskirche im Zentrum.

Stift Olsberg in der Talsenke am Violenbach
Stift Olsberg in der Talsenke am Violenbach

Das Zisterzienserinnenkloster besass einst Teile des Baselbiets und verstreute Ländereien im Elsass und in Südbaden. Doch wurde es später in Kriegen und Aufständen versehrt, 1632 zum Beispiel, im Dreissigjährigen Krieg, wüteten in der Gegend die Schweden, plünderten das Stift zwei Mal und verwüsteten es. Davon erholte es sich nie mehr so ganz. In unserer Zeit ist der kirchliche Betrieb ohnehin längst Geschichte. Die Anlage ist jetzt etwas ganz anderes, ein Schulheim für Kinder mit Lern- und Schulproblemen.

Wir verweilen, schauen uns um. Und steigen danach zum Rand des Waldes auf, aus dem wir kamen, dieses kurze Stück auf guten Pfaden ist nicht signalisiert. Bald sind wir im Frauewald wieder auf dem Wanderweg; ich nehme an, kann es aber nicht belegen, dass mit den «Frauen» im Namen die Zisterzienserinnen gemeint sind, denen der Wald wohl einst gehörte. Witzig die Holzskulpturen am Wegrand, die allesamt Frauen zeigen. 

Wandern im Frauewald
Wandern im Frauewald

Mittlerweile geht es wieder abwärts. Und bald taucht die Autobahn auf als Teil der Verkehrsachse am Rhein. Wir überqueren sie, und flugs kommt es zum Umweg Nr. 2. Der Wanderweg würde direkt, immer schön dem Violenbach entlang, zum Bahnhof Kaiseraugst führen. Wir aber wollen etwas anderes, nämlich noch kurz den alten Römern Grüezi sagen. Ah ja, da ist ja auch schon die erste archäologische Stätte, die von der antiken Stadt Augusta Raurica kündet. Eine Ziegelei mit gut erhaltenen Brennöfen.

Das kurze Strassenstück über den Bach, der auch die Kantonsgrenze bildet, ist kein Highlight. Nun sind wir in Augst, also wieder im Baselbiet. Und erreichen schnell das römische Theater mit den steilen Rängen, das vielen bekannt sein dürfte von Schulreisen oder dem einen oder anderen Kulturanlass. Immer wieder gut, durch diese Ruinen zu flanieren. Auch wenn wir es diesmal sehr summarisch tun, wir sind ja schon weit gewandert.

Steinerne Erinnerung an die Römer von Augusta Raurica

Anforderung: 20 km, 421 m aufwärts / 510 m abwärts, 5 Stunden. 

Route: PDF von SchweizMobil

Thomas Widmer wohnt im Zollikerberg, ist Reporter bei der «Schweizer Familie» und hat mehrere Wanderbücher verfasst. Er wandert zwei Mal pro Woche und sagt: «Man wandert nicht nur durch eine Landschaft. Sondern auch durch die Kultur, die Geschichte, die Politik. Wenns dazu etwas Gutes zu essen gibt: grossartig!»

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