Das «Tatort»-Bashing

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30. Januar 2025 – Es gibt wenige Fernsehsendungen, die so viele Menschen vor den Bildschirm locken wie der «Tatort». Dessen ungeachtet zeigen viele dem Krimi die kalte Schulter. Das kann man jede Woche im «Tages-Anzeiger» nachlesen. Uns erstaunt das.
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30. Januar 2025 – Es gibt wenige Fernsehsendungen, die so viele Menschen vor den Bildschirm locken wie der «Tatort». Dessen ungeachtet zeigen viele dem Krimi die kalte Schulter. Das kann man jede Woche im «Tages-Anzeiger» nachlesen. Uns erstaunt das.

Kult: Boerne, Thiel und Staatsanwältin Klemm (Foto: ARD)
Kult: Boerne, Thiel und Staatsanwältin Klemm (Foto: ARD)

VON BARBARA LUKESCH

Nichts Schöneres als nach einem ereignisreichen Wochenende am Sonntagabend aufs Sofa sinken und für die Dauer von eineinhalb Stunden das Zepter Boerne und Thiel, Ballauf und Schenk, Lena Odendahl oder Tessa Ott und Isabelle Grandjean überlassen. Sie wissen natürlich längst, was ich meine: das «Tatort»-Schauen zum Ausklang der Woche. Ein Ritual, dem seit 55 Jahren Millionen von Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz frönen, im besten Fall weit über 10 Millionen pro Folge, im Schnitt 8,5. Damit bildet die Krimireihe das langlebigste und beliebteste Unterhaltungsformat des deutschsprachigen Fernsehens aller Zeiten. Die Schweiz macht da keine Ausnahme, schauen sich doch auch hierzulande regelmässig gut 400’000 Zuschauende den Krimi an.

Für mich ist der «Tatort» wie ein Geschenk, das Spass, Spannung und Zerstreuung bietet. Der Montag kommt früh genug. Viele der Ermittlerinnen und Kommissare sind so etwas wie gute Bekannte geworden, deren Macken und Marotten, aber auch deren Sorgen und Nöte man kennt. Unvergesslich die Gemeinheit des Münsteraner Gerichtsmediziners Prof. Karl-Friedrich Boerne gegenüber seiner kleinwüchsigen Assistentin Silke «Alberich» Haller: «Es schweigt der Krümel, wenn der Kuchen spricht.» Der geniale Schauspieler Jan Josef Liefers kann das. Zum Schreien auch die jeweilige Reaktion des Kieler Kommissars Klaus Borowski auf Anrufe: «Wer stört?» Oder die liebenswürdige Kauzigkeit des Dresdner Kommissariatsleiters Schnabel, der mit seinen beiden Ermittlerinnen Gorniak und Winkler oft unsanft umspringt, dem aber trotzdem niemand böse sein kann. Interessant auch die Entwicklung der beiden Schweizer Kommissarinnen Tessa Ott, Isabelle Grandjean und Staatsanwältin Anita Wegenast, bei der manchmal schon ein Blick auf ihre bizarre Garderobe reicht, um gute Laune zu bekommen.

Natürlich sind die Handlungen nicht jedesmal Spitze. Aber viele sind gut. Das reicht.

Und nun das: Jeden Samstag bittet der Zürcher «Tagesanzeiger» Menschen aus den Bereichen Kultur, Sport und Wirtschaft ihr «Wochenende» mit seinen Vorlieben und Gewohnheiten zu schildern. Mal für Mal lautet die Schlussfrage: «Tatort oder kein Tatort?» Und in gefühlten 96 Prozent der Fälle heisst es: «Kein Tatort!» Anfangs glaubte ich noch an Zufall, inzwischen bin ich überzeugt, dass hier ein konzertiertes «Tatort»-Bashing vorliegt.

Das ist natürlich ein Witz.

Trotzdem muss ich zugeben, dass mich diese einhellige Geringschätzung meines Lieblings-Krimis irritiert. Was geht da vor? Werden im «Tagi» nur Intellektuelle befragt, die es peinlich finden, «Tatort» zu gucken? Oder nur Männer und Frauen, deren gesellschaftliches Leben strotzt vor Events, so dass es einfach nicht drinliegt, einen Abend vor der Glotze abzuhängen? Oder so Junge, die schon lange nichts mehr mit dem guten, alten Fernsehen am Hut haben?

Ich bin ratlos. Immerhin reden wir hier von dem Unterhaltungs-Format, dem das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» allwöchentlich einen Vorab-Bericht widmet. Der «Tages-Anzeiger», der offenbar auch weiss, was seine Leserschaft interessiert, schaltet in Rekordzeit direkt nach dem sonntäglichen Ausstrahlen der Sendung eine TV-Kritik und ermöglicht Interessierten die Teilnahme an einem Rating. Ich kenne keine andere Sendung, der im Vorfeld und Nachgang derart viel Beachtung geschenkt wird. Man bekommt also unweigerlich den Eindruck, als würden wirklich sehr viele Menschen das Angebot nutzen und, betrachtet man die Ratings, durchaus auch schätzen.

Nützt alles nichts. Die Frage «Tatort oder kein Tatort?» fördert nur Nieten zutage. Ich wünsche mir schon lange, dass sich der «Tagi» eines Tages bei mir meldet. Dann könnte ich sagen: «Tatort – unbedingt!»

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Als bekennender Krimi-Fan liebe ich den TATORT! Danke, dass Sie eine Lanze dafür brechen. Auch mich irritiert die häufige Verneinung der Schlussfrage in den Tagi-Interviews und ich bin nicht so ganz sicher, ob die Antwort auch wirklich ehrlich ist… Aber janu, jede und jeder soll nach eigener Fasson selig werden. Nicht jedes Tatort-Team begeistert mich gleichermassen, aber man weiss ja schon im Voraus, wer an diesem Sonntag ermitteln wird und ist frei zu entscheiden, ob man sich die Folge ansehen will oder eben nicht. Unvergessen und immer noch heissgeliebt sind die „alten“ Folgen mit dem Stuttgarter Kommissar Bienzle, den Hamburgern Stöver und Brockmöller oder Schimanski, dem Raubein aus dem Ruhrgebiet.

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