Wo das Herz schlägt und die Quelle fliesst

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Barbara Lukesch und René Staubli: «Kinder lieben im Sommer den ‹Barfussweg› von Gontenbad nach Jakobsbad. Wir haben ihn im Dezember, dick eingepackt, unter die Schuhe genommen – und wurden belohnt mit einem traumhaft schönen Tag.»

Hinter einer Stahltüre: Die Mineralquelle der Firma Goba (Fotos: bl/rs)
Hinter Stahl: Die Mineralquelle der Firma Goba (Fotos: bl/rs)

Mit diesem Satz beginnt unsere Wanderung am Bahnhof Gontenbad. Es ist der Werbespot der Firma Goba, die am Rand des Hochmoors ihr Wasser abzapft. Vor fast 100 Jahren, um 1930, hatten Josef und Hedwig Schmidiger den Wert der Quelle erkannt. Sie füllten das Wasser in Flaschen ab und tüftelten daneben auch noch Rezepte für Limonaden und Liköre aus. Wer sich heute im Appenzellerland erfrischen will, trinkt gerne einen «Flauder» von Goba (Mineralwasser mit Kohlensäure, Holunderblüten- und Melissen-Geschmack). Der Name kommt von «Flickflauder», dem Innerrhoder Wort für Schmetterling.

Vom Bahnhof geht es in einer leichten Steigung Richtung Golfplatz. Es ist grausam kalt, 12 Grad unter Null, der Hauptort Appenzell liegt noch unter einer dicken Nebeldecke; wir sehen den blauen Himmel, aber nicht die Sonne, die sich hinter dem Ausläufer des Kronbergs versteckt. Der Schnee knirscht unter den Schuhen. Links und rechts zugefrorene Weiher. Im Sommer haben wir schon öfter zugeschaut, wie schlecht gezielte Golfbälle ins Wasser platschten. Es gibt jedes Jahr eine Tauchaktion, um die Bälle einzusammeln.

Eisig kalt, noch keine Sonne, aber auch kein Nebel
Eisig kalt, noch keine Sonne, aber auch kein Nebel
Schöner Schneeweg entlang des Golfplatzes
Schöner Schneeweg entlang des Golfplatzes
Links und rechts gefrorene Weiher
Links und rechts gefrorene Weiher

Nach einer halben Stunde sehen wir aus wie tiefgefrorene Eskimos. Kurz bevor die Sonne endlich aufgeht, um 9.14 Uhr, machen wir Selfies, schicken sie ab und schreiben dazu, die Kälte sei schuld an den grauen Haaren.

Das vereiste Wanderpaar
Das vereiste Wanderpaar – Maske gegen die beissende Kälte

Wunderbar, dieser tiefblaue Himmel. Aber wärmer wird es nicht, inzwischen haben wir trotz Handschuhen den Kuhnagel an den Fingern. Bei der Kreuzung am Ende des Golfplatzes zweigt der Weg nach links ab, dann geradeaus bis zum Schützenhaus. Auf einem Banner lesen wir: «Die Standgemeinschaft Gonten wünscht allen Schützen gut Schuss».

Wir erklimmen rechterhand einen kleinen Hügel mit einem Bauernhaus. Laut Karte heisst der Hof oder die Umgebung «Sömmerli». Der Ausdruck steht für ein «kleines Kulturland, das ertragreich ist oder vorwiegend im Sommer genutzt wird». Der Nachbarhof trägt den Namen «Sönderli», was entweder auf die Ausrichtung gegen Süd-/Südwest hinweist oder auf die abgesonderte Lage. Um solche Weisheiten schert sich die Katze nicht, die sich im Schopf ein Plätzchen an der Sonne gesichert hat.

Das Büsi wärmt sich an der Sonne
Das Büsi wärmt sich an der Sonne
Weisse Bäume, tiefblauer Himmel – was für ein Bild!
Weiss überzuckerte Bäume, tiefblauer Himmel – was für ein Bild!
Vor uns taucht Gonten mit dem markanten Kirchturm auf
Vor uns taucht Gonten mit dem markanten Kirchturm auf

Inzwischen sind die ersten LangläuferInnen auf der perfekt präparierten Loipe unterwegs. Weil wir völlig durchfroren sind, beschliessen wir, nach Gonten hineinzugehen und eine Beiz zu suchen, wo wir uns aufwärmen können. Gegenüber der Kirche entdecken wir ein Wirtshausschild – zum «Bären». Wir treten ein und sind überrascht vom Ambiente: Schwere Balken, eine massive Holzdecke, aus alten Steinen gemauerte Wände und ein offenes Feuer, das uns wärmt.

Gasthaus
Gemütliches Gasthaus mit offenem Feuer

Der Kellner bringt uns heisse Ovo, an der wir die klammen Finger wärmen; dazu ein frisches kleines Biberli. Wir erfahren, dass das Haus um 1600 erbaut worden ist, noch vor der benachbarten Kirche. Wieder auf der Strasse, hören wir den Chorgesang, der durch die Türe des Gotteshauses dringt. Es ist Sonntag, die Gontner gehen offenbar noch in die Kirche, vielleicht waren wir deshalb im «Bären» die einzigen Gäste.

Unmittelbar nach der Kirche geht es links über die Gleise der Appenzeller Bahnen zurück auf den rosa ausgeschilderten Winterwanderweg, vorbei am Langlaufzentrum, das mit «Höttli» angeschrieben ist. Ein Bauer scheint nicht gut auf Wanderer zu sprechen zu sein, jedenfalls auf solche, die im Sommer mit ihren Hunden vorbeikommen. Er hat eine witzige Tafel aufgestellt: «Hier beginnt die Salatschüssel meiner Kuh und nicht das Klo Ihres Hundes, danke.»

Nach kurzer Zeit erreichen wir den grossen Parkplatz, der zum Familienskilift am linken Hang gehört, wo frohes Treiben herrscht. Am eingezäunten Fussballplätzchen vorbei geht es zu einer ausgedehnten Wohnwagensiedlung. Den «Camping-Jakobsbad» gibt es seit mehr als 50 Jahren. Inzwischen ist er zu einer kleinen Stadt angewachsen.

Während wir uns dem Ziel nähern, der Talstation der Kronbergbahn, setzen Gleitschirm-Piloten zur Landung an. Dick eingepackt sind sie auf dem Gipfel gestartet. Die Kälte scheint ihnen nichts auszumachen. Beim eisernen Brüggli, das über den Bach führt, machen wir Fotos – die Wunder der Natur.

Zauber der Natur I: vereistes Brückengeländer
Zauber der Natur I: vereistes Brückengeländer
Zauber der Natur II: Munterer Bach, von vereisten Sträuchern eingefasst
Zauber der Natur II: Munterer Bach, von vereisten Sträuchern eingefasst

Jakobsbad ist bekannt für seinen Klettergarten, «Zipline-Park» genannt. Im Sommer hängen jeweils Dutzende von Kindern an den Seilen. Andere sind mit ihren Eltern auf dem Barfussweg unterwegs, auch das ein sinnliches Erlebnis. Im Winter ist der Klettergarten geschlossen, bietet aber mit seiner vereisten Takelage einen schönen Anblick.

Klettergarten mit vereister Takelage
Klettergarten mit vereister Takelage

Diesmal stärken wir uns nicht mit einer Ovo, sondern mit einem heissen Punsch. Derart aufgewärmt und ausgeruht beschliessen wir, auf demselben Weg nach Gontenbad zurückzuwandern. Um 13 Uhr sind wir wieder dort, wo wir am Morgen gestartet sind. Inzwischen ist es so warm geworden, dass wir die Handschuhe ausziehen können. (bl/rs)

Anreise: Mit den SBB via Gossau (SG) und Urnäsch nach Gontenbad. Automobilisten finden beim Bahnhof Gontenbad meist einen Parkplatz.

Anforderung: 5 km, 73 m aufwärts, 84 m abwärts, 1 ¼ Stunden für den einfachen Weg von Gontenbad nach Jakobsbad.

Route: PDF von Schweiz Mobil

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